Kultur scheut den Vergleich

Kultur ist den Bremern lieb und für den Steuerzahler teuer – das wies ein „Benchmarking“ des Finanzsenators vor Monaten nach. Die Kulturbehörde hat das bis heute nicht kommentiert

Bleiben solche Zahlen unwidersprochen, hat Kultur einen schweren Stand

Bremen taz ■ Als hätte das Bremer Kulturressort nicht Sorgen genug! Seit Monaten liegt zu allem Überdruss auch der „Benchmarking-Bericht 2005“ des Finanzsenators vor, und wenn man den Sprecher der Kulturbehörde da nach einer Stellungnahme zu Details des brisanten Zahlenwerks fragt, ist die schlichte Antwort: Wir arbeiten daran. Das ist auch notwendig – die Statistiken, die die Bremer Kosten und Zuschuss-Strukturen mit anderen Bundesländern und auch mit den beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Berlin vergleichen, bergen Zündstoff. Zum Beispiel sind die öffentlichen Ausgaben für Kultur im Sanierungszeitraum (seit 1995) in Bremen um 31 Prozent gestiegen, in Hamburg nur um 7 Prozent. Pro Einwohner zahlt Bremen an die Theater im Jahr 54,8 Euro, das reiche Hamburg nur 48,3 Euro Zuschuss. Beim Vergleich mit Flächenländern wird deutlich, wieso die Stadtstaaten mit ihrer höheren Finanzausstattung – auch für den Bereich Kultur – nicht auskommen: Niedersachsen gibt pro Jahr 60 Euro pro Einwohner für Kultur aus, Bremen 148 Euro. Die anerkannte „Einwohnerveredelung“ im Länderfinanzausgleich: nur 135 Prozent.

Ein „Bürofehler“ sei daran Schuld, dass die Zahlen so in dem Benchmarking-Bericht stehen, erklärte Bremens Kultursenator Jörg Kastendiek Anfang Februar den Mitgliedern der Kulturdeputation, die intern um Erläuterung baten. Irgendwie seien die Zahlen nicht aussagekräftig. Aber die bremischen Zahlen stammten doch vom Kulturressort, heißt es verärgert beim Finanzsenator. Gerade in Zeiten von Haushalts-Verhandlungen hat Kultur einen schweren Stand, wenn solche Zahlen unwidersprochen im Raum stehen.

In der Tat gibt es aber nur einen kleinen „Vermerk“ des Kulturressorts, in dem behauptet wird, die Zahlen hätten „geringe Ausagekraft“, zudem müsse die oberzentrale Funktion Bremens berücksichtigt werden. Wirklich korrigiert hat der Kultursenator die von ihm gelieferten Zahlen bisher an keiner Stelle, und das Problem ist nicht neu: „Entgegen den Zusagen im Benchmarking-Bericht 2003 sind Initiativen des Kulturbereichs zur Vergabe eigener Auswertungsaufträge an die amtliche Statistik unterblieben“, stellt der Finanzsenator fest.

Was aber sagen die Zahlen im Detail? Nicht nur gemessen an der Steuerkraft, auch gemessen an dem oberzentralen Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen die bremischen Kulturausgaben um 50 Prozent über denen der westdeutschen Flächenländer. Pro Einwohner gerechnet – und dies ist für die Finanzausstattung des Landes entscheidend – liegen die Kulturausgaben doppelt so hoch wie in den Flächenländern. Während Bayern pro Einwohner 21 Euro für seine Theater ausgibt, sind es in Bremen 54,8 Euro im Jahr, Hamburg liegt bei 48,3 und sogar Berlin liegt mit 54,2 Euro knapp unter den bremischen Kosten. Gut ausgebenes Geld, könnte man sagen, denn die Bremer gehen gern ins Theater – pro Zuschauer gerechnet sind die öffentlichen Zuschüsse sowohl in Bayern wie in Hamburg oder Berlin höher als in Bremen.

Auffallend bei dem Zahlenvergleich ist zum Beispiel auch, dass der Anteil der Gebühren an den Kosten der Musikschulen mit 27,5 Prozent bundesweit einmalig niedrig ist. Wenn die Unterrichtskosten in Bremen wirklich deutlich geringer wären als beim Spitzenreiter Hessen (58 Prozent), dann wäre das pädagogisch sicher sinnvoll investiertes Steuergeld. Das gilt auch für die Volkshochschulen: Bremen gibt pro Einwohner 20 Euro Zuschuss an die VHS, Hamburg nur 8,50 Euro. Ob der Kultursenator die Ausgaben so verteidigt oder ob er die rein finanzpolitische Konsequenz – Kürzen – zieht, ist völlig unklar.

Seit Monaten gibt es vom Kulturressort keine differenzierte Analyse der Zahlen. Das Papier des Finanzsenators nimmt nur an einer Stelle eine deutliche Bewertung vor: „Anlass zur Überprüfung der Preisgestaltung“ sei die Tatsache, dass in Bremen nur 13,4 Prozent der Theater-Ausgaben durch Eintrittspreise gedeckt würden. Das ist Flächenländer-Niveau, Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin kommen da auf über 20 Prozent.

Klaus Wolschner