Eine Wette aufs Talent

Sein erster Auftritt hatte viele Autogrammjäger ratlos gemacht. Trainingsstart bei Hannover 96, alle suchen diesen Leonardo Bittencourt, aber nur ganz wenige finden ihn. Der in diesem Sommer teuerste Neuzugang der Niedersachsen ist auch der mit Abstand kleinste. Es klingt gemein, aber den nur 1,71 Meter kleinen Bittencourt kann man durchaus mit dem einen oder anderen schmächtigen Balljungen verwechseln.

Rund 2,5 Millionen Euro hat Hannover 96 an Borussia Dortmund überwiesen, um sich vier Jahre lang die Dienste eines Fußball-Federgewichts zu sichern. „Ich bin ganz begeistert von diesem jungen Spieler mit Entwicklungspotenzial“, sagt 96-Trainer Mirko Slomka. Seine vielen Lobeshymnen lassen den Schluss zu, dass der kleine „Leo“ in Hannover gar nicht Balljunge, sondern wirklich gleich Stammspieler wird.

Bei Energie Cottbus, wo ihm der Aufstieg vom Juniorenspieler zum Profi gelang, war er in der 2. Bundesliga schnell überqualifiziert. Bei Champions-League-Finalist Borussia Dortmund reichte es eine Saison lang nur zu einem Stammplatz auf der Ersatzbank oder der Tribüne. „Für mich ist wichtig, dass ich wieder spielen kann“, sagt Bittencourt über seinen Wechsel vom Westfälischen ins Niedersächsische.

Der 19-Jährige, in Leipzig als Sohn des brasilianischen Profis Franklin Bittencourt geboren, ist in seinen ersten Trainingseinheiten in Hannover vor allem wegen seiner Virtuosität aufgefallen. An der Seite von Jan Schlaudraff und Szabolcs Huszti wäre er der dritte hochbegabte Mittelfeldspieler, auf den Slomka zurückgreifen kann. Angesichts des Vorhabens, dass Hannover 96 künftig Ball und Gegner jagen möchte, um wieder erfolgreichen Konterfußball zu spielen, sind schnelle Beine und kluge Pässe gefragt.

Es gehört zu den Tücken des bezahlten Fußballs, dass große Könner nicht mal eben so zu Hannover 96 wechseln. Der Transfer von Bittencourt ist auch deshalb zustande gekommen, weil sich sein alter und neuer Arbeitgeber auf ein Wettgeschäft eingelassen haben: Sollte der kleine Mittelfeldspieler mit Stürmerqualitäten für Furore sorgen und seinen Marktwert weiter steigern, darf ihn Borussia Dortmund für angeblich sechs Millionen Euro wieder zurückkaufen.

Seine Gehversuche abseits des Rasens sind irgendwie noch süß. Als in Hannover und Dortmund noch um seinen Wechsel gefeilscht wurde, hatte Bittencourt seinen Arbeitgeberwechsel längst ausgeplaudert. Seine derzeitige Freundin, das mochte er der hannoverschen Bild im Interview nicht verheimlichen, hat er als 13-Jähriger an einer Bahnhaltestelle in Cottbus kennengelernt.  CHRISTIAN OTTO