Bilder der verdrängten Opfer

AUSSTELLUNG Sowjetische Zwangsarbeiter waren die zweitgrößte Gruppe von Nazi-Opfern – und ihr Leiden wird oft ignoriert. Der Verein „Kontakte“ zeigt in der Stadtbücherei eine Ausstellung zum Thema

„Es ist sehr bedenklich, wenn Opfer und Täter gleichgesetzt werden.“

Eberhard Radczuweit, Kontakte e. V.

Die Stadtbibliothek Bremen zeigt eine Ausstellung über ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter. Von 1941 bis 1945 wurden etwa sechs Millionen Sowjets von deutschen Soldaten gefangen genommen, in Lager gesperrt und zur Arbeit gezwungen. Über die Hälfte von ihnen starb. Der Verein „Kontakte“, der die Völkerverständigung und Solidarität mit Ländern der ehemaligen Sowjetunion zum Ziel hat, erinnert mit einer Ausstellung an sie.

Das ist bemerkenswert, denn obwohl die sowjetischen Kriegsgefangenen die zweitgrößte Gruppe der Nazi-Opfer bilden, findet ihr Leiden in Deutschland wenig Beachtung. Zudem sei ein Trend zu beobachten, so Eberhard Radczuweit vom Verein Kontakte: Zunehmend würden auch deutsche Opfer des Nazi-Regimes in den Fokus gerückt. „Es ist sehr bedenklich, wenn Opfer und Täter gleichgesetzt werden“, sagt Radczuweit.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Portaitfotos und Zitate aus Briefen, mit denen die ehemaligen Zwangsarbeiter ihre Erinnerungen dem Verein Kontakte schildern.

„Der Mensch war kein Mensch mehr“, beschreibt Jakow Pawlow. „Ich erinnere mich, dass die meisten von uns die Sterbenden einfach beneideten“, schrieb Grischa Harutunjan. „Ich kann und will über meine Zeit in deutschen Lagern nicht reden“, ist neben dem Foto von Nikolaj Tschernoiwanow zu lesen. Die Portraits stammen von Fotograf Lars Nickel, der nach Armenien und Wolgograd reiste und dort die ehemaligen Zwangarbeiter besuchte.

Etwa 2.000 Briefe wurden bisher ins Deutsche übersetzt. Der Verein Kontakte hat mehr als 6.000 Opfer ausgemacht, sie persönlich angeschrieben und gebeten, ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Zudem wurde den ehemaligen Zwangsarbeitern eine Spende von jeweils mindestens 300 Euro geschickt – als Geste der Anerkennung des erlittenen Unrechts.

Bisher wurden Anträge zur Entschädigung von rund 20.000 Überlebenden vom deutschen Gesetzgeber abgelehnt: Kriegsgefangenschaft begründe keine Leistungsberechtigung, so die amtliche Begründung. ELENA ZELLE

„In deutschem Gewahrsam“, Zentralbibliothek. Bis 27. 3.