Es läuft was schief

SOZIALE UNGLEICHHEIT Das Recht auf Bildung hat Verfassungsrang. Die deutsche Politik überlässt die Umsetzung dieses Zieles jedoch lieber der Zivilgesellschaft

VON LEANA PODESZFA

Eigentlich ist doch alles ganz einfach. „Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.“ So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und lässt sich auch aus dem Grundgesetz ableiten. Die Bildungspolitik hat somit ihren Rahmen vorgegeben. Das Problem liegt in der Umsetzung, denn trotz dieser Verantwortung lässt die Politik Randgruppen im Stich. Das bestätigte 2006 der UN Sondergesandte Vernor Muñoz, der Deutschland ein vernichtendes Zeugnis bezüglich der Bildung von Kindern aus sozial schwachen Familien, mit Migrationshintergrund oder Behinderung ausstellte. Mit großem Getöse schieben sich die Akteure gegenseitig die Schuld zu oder spielen Probleme runter. Die Bundesregierung behauptet schlicht: „Dem Recht auf Bildung kommt in Deutschland eine herausragende Bedeutung zu.“ Doch der deutsche Staat verletzt das Menschenrecht. Bildungsinitiativen kommen meist aus der Zivilgesellschaft.

Die UN-Rüge mag aufgerüttelt haben, doch „Randgruppen bleiben weiter außen vor“, so Michael Stegner. Er ist Leiter der SchlaU-Schule, eines Projekts für Flüchtlingskinder in München. Diese kommen größtenteils ohne Sprachkenntnisse, wenig Vorbildung oder als Analphabeten nach Deutschland. Im normalen Schulbetrieb fallen sie durchs Netz. Auf sie zugeschnittene Programme wie die SchlaU-Schule gibt es wenige. Dass ihr Recht auf Bildung nur so unzureichend umgesetzt wird, bezeichnet Stegner als „beschämend und verantwortungslos“.

Kinder aus sozial schwächeren Familien werden im deutschen Bildungssystem ebenfalls benachteiligt. Oft scheitern sie an der leistungsbezogenen Benotung und an der frühen Selektion. Wer dann doch studiert, hat mit wenig Selbstvertrauen und der Finanzierung zu kämpfen, kritisiert Heike Solga, Professorin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Es zeigt sich, die Politik verdrängt das Thema. Erst müssen Mülleimer aus Fenstern fliegen wie an der ehemaligen Rütlischule. Oder das Bundesverfassungsgerichts muss die Regierung auffordern, den Hartz-IV-Bedarf für Bildungsausgaben zu ermitteln.

Für die Umsetzung des Menschenrechts und die Vorgaben aus dem Grundgesetz reicht der Staat nicht aus. Das Problem wird auf die Zivilgesellschaft abgewälzt.

So allein lässt sich die soziale Schieflage in Deutschland aber nicht beheben.