leserinnenbriefe
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Oh Schreck! Ein Luisenjahr

■ betr.: „Miss Preußens Rückkehr“, taz zwei vom 24. 2. 10

2010 ist Luisenjahr. Fassungslosigkeit macht sich breit: Luise, die hundert Jahre als Porträt in deutschen Kinderzimmern hing, als Vorbild für eine perfekte und aufopfernde Mütterlichkeit. Also diese Luise, die einiges zum zwanghaften und erdrückenden deutschen Muttermythos beigetragen hat, wird in diesem Jahr gefeiert. Und zu diesem Anlass schreibt ausgerechnet die taz: „Bevor Luise in den Befreiungskriegen von den Freikorps, im Kaiserreich von den Deutschnationalen und später dann von den Nazis vereinnahmt wurde, war sie auch Role Model, das die Gepflogenheiten am preußischen Hofe gehörig durcheinanderwirbelte. Ihre Kinder zum Beispiel ließ sie sich nicht wegnehmen, sondern erzog sie – Skandal – selbst.“ Ja! Das ist wahrlich ein Skandal.

Es ist ein Skandal, dass ausgerechnet die links ausgerichtete taz ein Lob damit verknüpft, dass Luise als vorbildliche Landesmutter allen Frauen und Müttern vorgelebt hat, wie man sich eigenhändig (selbst als Königin) und im Hause um die Kinder kümmert, dass man sich weitestgehend aus der Politik des Ehemanns herauszuhalten hat und ihm nicht nur eine Frau zu sein, die aus politischen Gründen geheiratet wurde, sondern auch die ehelichen Pflichten selbstredend selbst leistet. Das ist ein Skandal, und Skandal ist es ebenso, dass zwar auf den Missbrauch des Luisenbildes durch die Nazis hingewiesen wird, nicht aber auf den Missbrauch des Luisenbildes, um ein Mutterbild zu etablieren bzw. zu festigen, das es bis dahin nie gegeben hatte, sich aber als wirksames Mittel erwies, Frauen aus Politik, Macht und Öffentlichkeit herauszuhalten. Mit der Hilfe dieses Mutterbildes konnte schließlich das große Problem der Aufklärung gelöst werden: Wie man der Monarchie die Macht abnehmen konnte, ohne diese aber mit den Frauen zu teilen, und dennoch behaupten zu können, alle seien gleich an Rechten. Ohne das preußische Königshaus wäre es am Ende noch zu einer Revolution in Deutschland nach französischem Vorbild gekommen. Das hat man verhindert, indem man sich schneller an das bürgerliche Bild anpasste, als es das Bürgertum selbst tun konnte. Reform von oben eben …

ISABEAU DURANCE, Frankfurt am Main

Diskret rufende Muezzins

■ betr.: „Unter Hasspredigern“, taz vom 4. 2. 10

Im Rahmen der Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften schlage ich vor, die Kirchtürme der christlichen Kirchen zu schleifen. Die Steine könnten für Aufbaumaßnahmen fehlender Kindergärten genutzt werden, der Lebensraum für Schmutz bringende Tauben würde eingeschränkt, und endlich würde das nächtliche, viertelstündliche (!) Läuten meiner Nachbarkirche verschwinden. Da lobe ich mir doch die Diskretion eines fünfmal täglich rufenden Muezzins. SYBILLE HAUPT, Göttingen

SportsoldatInnen

■ betr.: „Auslandseinsatz in Vancouver“, taz vom 6. 2. 10

Was man so alles erfährt, sehr interessant! Da hatte ich dann beim Frühstück die illusionäre Fantasie: Wäre es nicht toll, wenn man wieder wie in der Frühantike und jetzt neu aufgelegt in der Moderne rund um den Globus in den großartigen Sportstadien Wettkämpfe austragen würde, statt Kriege zu führen? Die internationalen Streithammel müssten sich bei der UNO für einen „kriegsähnlichen“ Kampfeinsatz mit Begründung der begangenen Delikte des Gegners anmelden, die dann Ort und Zeit bestimmen müsste, wo der Streit mit Waffen in menschlicher Hand – also Speeren, Pfeilen, natürlich ohne Gift, Äxten, Hämmern, Biathlonschießereien, Tauziehen, Bäumestemmen –, meinetwegen auch per Füße wie dem Marathonlauf und natürlich Wettschwimmen etc., auszutragen sei. Immerhin haben sich jetzt Elder Statemen zusammengefunden, um wenigstens ein Konzept gegen einen drohenden Atomkrieg und Abschaffung der Atombomben zu entwickeln. Geld in das Training zu investieren wäre doch sinnvoller als in Waffen. SIGRID JOHN TUMLER, Berlin

Rosa wirkt beruhigend

■ betr.: „Pink stinkt“, sonntaz vom 6. 2.10

Biologistische Erklärungsmuster sind momentan äußerst beliebt, um geschlechtsspezifische Verhaltensmuster festzuschreiben. Kleine Kinder mögen Rosa, weil sie als Föten in einer rosa bis lachsfarbenen Welt gelebt haben. Diese Töne (rosa, lachs, lila) wirken auf alle kleinen Kinder beruhigend! Für kleine Knaben ist es nur momentan ein Tabu, solche Farben zu mögen, während es vor ca. 20 Jahren noch allgemein üblich war, Knaben in solche Farben zu kleiden. Wenn sich die Zeiten ändern, ändern sich auch ganz schnell die Theorien!

SUSANNE POHLMANN, Darmstadt

Wo bleibt die Solidarität?

■ betr.: „Dagobert-Duck-Illusion“, taz vom 5. 3. 10

Ulrike Herrmann analysiert klar die Ursachen der Finanzkrise in Griechenland und warum gerade Deutschland durch hohen Export und Lohndumping dazu beigetragen hat, während die EU den moralischen Zeigefinger gegen Griechenland erhebt. Unsere Kultur entstand lange vor dem Neoliberalismus und der Ökonomisierung sämtlichen Lebens und basierte auf den Griechen und Römern.Wo bleibt die Solidarität? Die Polemik gipfelt in der Forderung nach Verkauf einiger griechischer Inseln. Neue Kolonialisierung? ASTRID POLAP, Bremen