Die Großmacht

EU-BEITRITT Der Arktisanrainer ist strategisch viel zu wichtig, als dass ein EU-Beitritt scheitern könnte

STOCKHOLM taz | Von einer Icesave-Regelung ist ein EU-Beitritt Islands abhängig. Das haben London und Den Haag wiederholt betont. „Wir unterstützen den isländischen EU-Beitritt“, erklärte ein Regierungssprecher in London: „Aber es ist essenziell, dass das Land seinen internationalen Verpflichtungen im Rahmen des Einlagensicherungssystems nachkommt.“ Auch die isländische Regierung versuchte mit dem EU-Argument für eine Zustimmung zu dem von ihr geschlossenen Abkommen zu werben.

Doch die Drohung, der von Reykjavík gestellte EU-Beitrittsantrag könnte bei mangelndem Wohlverhalten in Sachen Icesave auf Eis gelegt werden, verpuffte bei den IsländerInnen. Das hat auch damit zu tun, dass sich das Meinungsbild verschoben hat. Befürwortete vor einem Jahr eine Mehrheit der Bevölkerung den EU-Beitritt, lehnen ihn nach letzten Umfragen 56 Prozent wieder ab, und die Zahl der BefürworterInnen ist auf 33 Prozent gesunken.

Um nicht noch mehr Anti-EU-Stimmung zu erzeugen, hat Brüssel deshalb auch jede formale Verknüpfung einer Icesave-Regelung mit dem Fortgang der Beitrittsverhandlungen vermieden. Zudem: Vor der anstehenden Volksabstimmung empfahl die Kommission den Regierungen der EU-Länder, die entsprechenden Verhandlungen nun aufzunehmen.

EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle erwartet Beitrittsverhandlungen, die in 14 Monaten abgeschlossen sein könnten. Er betont das Interesse der EU an einem Mitgliedstaat Island: Die EU würde „stärker werden“. Füle wies auf die „wachsende strategische Bedeutung der Arktisregion“ hin: „Hier könnte Island nützlich werden.“

Auch wenn Island derzeit in einer tiefen Wirtschafts- und Finanzkrise steckt und gerade einmal 0,06 Prozent der EU-Bevölkerung und 0,08 Prozent der Wirtschaftsleistung repräsentieren würde, macht es seine Stellung als Arktisanrainer interessant. In dem zu erwartenden Kampf um Ressourcen, der schon bald zwischen Kanada, den USA und Russland entbrennen dürfte, möchte die EU mitreden. „An diesem wichtigen Spiel nimmt die EU noch nicht teil“, so Schwedens Außenminister Carl Bildt: „Mit Island werden wir ein bedeutender Mitspieler werden.“ REINHARD WOLFF