berliner szenen Wege zum Glück

Berlin ist klein

Da war sie wieder, das Mädchen mit der weißen Mütze, er bemerkte sie sofort. Ein Wochenende zuvor hatte er sie schon einmal gesehen, auf einer anderen Party. Seinerzeit versäumte er es, sie anzusprechen; sie war plötzlich weg gewesen. Und nun stand sie da in diesem Club, am Rand der Tanzfläche. Als sie ins zweite Stockwerk ging, folgte er ihr: Noch einmal würde er sie nicht entwischen lassen. Auf dem Treppenabsatz holte er sie ein, warst du nicht auch vergangenes Wochenende in Kreuzberg, fragte er, mit dieser Mütze? Als sie lächelte, hat er sie geküsst, einfach so. Eine halbe Ewigkeit müssen sie sich um- und verschlungen haben. Und plötzlich war sie wieder weg.

Sie ärgerte sich. Eben noch hatte sie auf der Treppe geknutscht, mit diesem unbekannten Schönen. Aber etwas war zu schnell gegangen, es war zu schnell zu perfekt, sie hatte sich erschrocken. Seinen Vornamen erfragte sie noch, dann rannte sie weg, versteckte sich, fuhr bald nach Hause, es dämmerte bereits. Und nun bereute sie. Hätte ihm doch zumindest ihre Telefonnummer geben können, man ist ja schließlich keine fünfzehn mehr und läuft einfach davon, wenn es zu schön wird. Sie begann zu suchen.

Vier Tage später hatte sie seine Telefonnummer. Es war eine Suche ohne Aussicht auf Erfolg gewesen – konnte schließlich fast alles oder jeder ein Anhaltspunkt sein für jemanden, von dem sie nur den Vornamen kannte und den sie im Halbdunkel auf der Treppe kaum gesehen hatte. Aber tatsächlich kannte der Mitbewohner der Freundin eines Freundes einen, der wusste, dass der Unbekannte von der Treppe ein Freund von dem Nachbarn der Freundin eines Freundes war. Berlin ist ganz klein, zum Glück.ANNA MAREIKE KRAUSE