DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Weiter, höher, schlimmer

Was sagt uns das? Ein Radiosender begleitet eine Expedition auf einen 8.000 Meter hohen Berg und verschenkt gar einen Platz dafür. Eine Teilnehmerin ist bei der Besteigung gestorben – und wir wenden uns ab

Alle Fotos und Videos der „Berliner Expedition“ sind gelöscht. Der Sender des Rundfunks Berlin Brandenburg, Radioeins, will damit „die Angehörigen und das Team vor einem Missbrauch der Bilder schützen“. So steht es auf der Website.

Warum begleiten und bestaunen wir so gerne Menschen, die an die Grenzen des Möglichen gehen, und sind dann schockiert, wenn einmal die Grenze überschritten wird; wenn ein – wie es dann stets heißt – tragischer Unfall passiert? Das Kraxeln auf einen mehr als 8.000 Meter hohen Berg, wie den Broad Peak Mountain in Pakistan, ist gefährlich. Lebensgefährlich. Genauso wie Nik Wallendas Überquerung des Grand Canyon auf einem Drahtseil (ohne Sicherung!) oder Felix Baumgartners Fall aus dem Weltall oder Samuel Kochs Sprünge über fahrende Autos.

In Österreich erreichte Baumgartner (und noch mehr sein Sponsor Red Bull) 2,3 Millionen Zuschauer. Deutlich mehr als beispielsweise das Finale der Fußball-EM (1,7 Millionen). In Deutschland sollen mehr als 7 Millionen Menschen zugeschaut haben.

Wir gucken hin, wenn andere ihr Leben riskieren. Für das Publikum ist das schon seit Generationen Teil der Unterhaltung. Und doch ertragen wir es nicht, wenn die Wette über Leben und Tod nicht aufgeht. Es scheint als seien durch Fernsehshows, Liveübertragungen und Verlosungen riskanteste Unternehmungen zu harmlosen Bespaßungen geworden. Das Risiko wird hochgejazzt (mit „Hart am Limit“ betitelte Radioeins seine Berichte), am Ende geht eh alles gut. Fernseher und Radio aus, ab ins Bett.

Und wenn doch mal etwas schiefgeht, löschen wir am besten alles – von den Festplatten und aus unseren Köpfen. Und schauen beim nächsten Mal wieder zu. Wird schon gut gehen. JÜK