HAMBURGER SZENE VON BENJAMIN KNAACK
: Miss Marple in der U-Bahn

Die Klamotten, der Blick, sogar die Frisuren verraten der Dame, dass die Männer auf der Jagd nach Schwarzfahrern sind

Mir gegenüber sitzt eine ältere Frau in der U-Bahn, weiße Haare, Wollmantel, den Hut auf dem Schoß. Aufmerksam blickt sie durchs Abteil. Eine junge Frau steigt ein, setzt sich zu uns.

Die alte Dame beugt sich leicht nach vorne zu der Jungen. „Sehen Sie mal, die drei Männer da hinten“, sagt sie leise, „das sind bestimmt Fahrkartenkontrolleure.“ – „Woran erkennen Sie das?“, fragt die Junge. „Naja, so das gesamte Erscheinungsbild. Die hängen immer in der Gruppe herum und geben sich betont unauffällig.“

Immer wieder schaut die ältere Frau zu den Männern. „Sie sind immer noch da. Aber drehen Sie sich nicht um, nicht dass sie sich beobachtet fühlen. Das müssen Kontrolleure sein. Ich habe eine Nase dafür“, sagt sie und zählt Beweise auf: Die Klamotten zu unauffällig, der Blick zu konzentriert, die Frisuren zu akkurat – so normal sind normale Leute nicht. „Die sind auf der Jagd nach Schwarzfahrern!“, sagt die alte Dame und knetet ihren Hut. „Haben Sie denn etwas zu befürchten?“, fragt die Junge. „Nein“, sagt die Alte und weicht zurück. „Ich bin erst einmal in meinem Leben schwarz gefahren!“

„Wissen Sie was, sie haben recht – das sind Fahrkartenkontrolleure“, erwidert die junge Frau. „Woher wissen Sie das so sicher?“, fragt die Ältere. „Ganz einfach: Ich gehöre dazu“, antwortet die Junge und zückt ihren Ausweis.