LESERINNENBRIEFE
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Spekulativ und verfrüht

■ betr.: „Falsche Freunde“, taz vom 5. 7. 13

Die Auffassung von Silke Mertins teile ich so nicht. Ohne die Massenproteste und ohne den Mehrheitswillen des Volkes hätte die Armee Mursi wohl nicht absetzen können. Und dass sie gegen eine demokratisch legitimierte Regierung in Zukunft putschen könnte und es auf eine Kraftprobe mit der Mehrheit des ägyptischen Volkes ankommen lassen würde, darf ebenfalls bezweifelt werden. Dazu ist sie selbst zu sehr mit ihren vielfältigen Institutionen im Volk verankert. Von einem Pyrrhussieg der liberalen Kräfte zu sprechen halte ich daher für sehr spekulativ und verfrüht. HARTMUT GRAF, Hamburg

Wem dient die Troika?

■ betr.: „Falsche Freunde“, taz vom 5. 7. 13

Obwohl ich mich über Mertins Zutrauen in demokratische Strukturen freue, so müssen wir uns doch fragen: Sind sie begründbar? Bei aller Nichtvergleichbarkeit: Auch die Türkei ist eine Demokratie – und wird doch zum klerikalen Staat hin gelenkt. Und unsere westlichen Demokratien? Deren Repräsentanten fühlen sich den Zeichnern von Staatsanleihen mehr verpflichtet als den Bürgern, die sie durch Wählen legitimieren. Wem sonst dient die Troika, als den Gläubigern die Zinszahlungen zu sichern. Von Entschuldung der Ewigkeitsverpflichtungen kann nicht mal in Deutschland die Hoffnung sein. Folglich: Demokratische Strukturen allein genügen heute nicht mehr, um Gleichheit in Freiheit zu ermöglichen. Von Geschwisterlichkeit ganz zu schweigen. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Volksverdummung

■ betr.: „Wir wissen, was du morgen tun wirst“, taz vom 6. 7. 13

Ich glaube, dass die Amerikaner die Speicherung von Daten in Absprache mit der Bundesregierung getroffen haben. Vielleicht bezahlt die Bundesregierung sogar Geld dafür, dass der amerikanische Geheimdienst die Daten speichert und auswertet. Die Rumeierei unserer Bundeskanzlerin zu diesem Thema ist aufgesetzt und heuchlerisch. Sie weiß ja, dass die Deutschen nicht auf die Straße gehen und demonstrieren. Außerdem ist vieles am Wahltag (22. September) von sehr vielen Menschen bereits wieder vergessen worden. Unser Außenminister hat ja schon angedeutet, dass das Freihandelsabkommen zwischen Europa und Amerika auf jeden Fall zustande kommen muss, egal was unser „amerikanischer Freund“ insbesondere in Deutschland ausspioniert. Deutschland wurde 1990 wieder vereinigt, aber die Datenspionage der Amerikaner in Deutschland wurde nie eingestellt. Das nenne ich Volksverdummung.

GÜNTER JUMPERTZ, Sigmaringen

Viel gefragt, wenig geantwortet

■ betr.: „Edward Snowden und ich“, taz vom 6. 7. 13

Der Versuch herauszufinden, was Google, Facebook und Co. über mich wissen, brachte überraschende Ergebnisse.

Ich folgte dem angegebenen Vorgehen, und siehe da: Google wusste gerade mal von mir, dass ich männlich bin, mehr nicht. Wie aber kommt es dann, dass Google so viel über Johannes Gernert weiß? Die einzige Erklärung, die ich habe, ist, dass Google beim Anlegen eines Kontos (wie viele andere auch) nach vielem fragt: Alter, Geschlecht, Adresse, Interessen und mehr. Das kann man ausfüllen, muss es aber nicht. Vermutlich hat Johannes Gernert seinerzeit all diese Felder bereitwillig ausgefüllt und damit gegen eine Grundregel des Datenselbstschutzes verstoßen: Was man nicht über sich erzählen will oder erzählen muss, sollte man auch nicht erzählen. Und wenn man es doch tut, darf man sich nicht wundern, wenn es in einer Datenbank gespeichert und auch genutzt wird. Noch interessanter wurde es, als ich bei Facebook nachschaute. Siehe da: Facebook forderte mich auf, erst einmal mein Archiv überhaupt anzulegen! Richtig, Facebook hatte mich mehrmals freundlich aufgefordert, doch bitte mein Archiv anzulegen, und ich hatte es immer schnöde verweigert.

Fazit also: Johannes Gernert hat offenbar so naiv wie viele andere Internetnutzer gehandelt und freiwillig eine Menge Informationen über sich preisgegeben. Okay, das kann jedem passieren. Was den Artikel aber ärgerlich macht, ist der Umstand, dass auf diesen Punkt gar nicht hingewiesen wird. Ebenso fehlen einige weitere ganz einfach zu realisierende Tipps gegen Datentracking: zum Beispiel die Möglichkeit, im Browser Cookies zu sperren (allerdings funktionieren dann manche Websites nicht mehr) oder aber zumindest alle Cookies und den Verlauf nach jeder Sitzung zu löschen.

Gegen die NSA und ihre britisch-französisch-deutsch-russisch-chinesischen KollegInnen hilft das natürlich nicht, gegen zu viele Werbe-Spams aber schon. MICHAEL PETER, Hamburg

Sklaven digitaler Spuren

■ betr.: „Die digitale Unterwerfung“, taz vom 8. 7. 13

Die Älteren unter uns werden sich noch erinnern: Was haben wir nicht alles erlebt!? Volkszählungsboykott, Stasi-Zentrale gestürmt … und nun das. Sind wir alle Sklaven unserer digitalen Spuren? War da nicht eine Partei unter dem Banner des Totenkopfs, welche den Mief von Karteikarte und Briefwahl aus der Republik vertreiben wollte? Und die romantische Linke und ein gewisser Herr Steinbrück wollen doch auch ins Parlament? Zu spät, ihr Loser! Wenn ihr endlich dort seid, werdet ihr sehen, dass die Macht nicht mehr da ist, sondern nur noch der Geist von Jack Sparrow.

JOST GUIDO FREESE, Düsseldorf