Ablasshandel im Vulkan-Prozess

JUSTITIA 854 Millionen Mark für den „Aufbau Ost“ versickerten 1995 im Vulkan-Konzern. Mit einer Zahlung von 80.000 Euro hat sich der Finanzvorstand nach 15 Jahren freigekauft

Vergeblich mühte sich die Justiz 15 Jahre lang mit der Frage, ob Konzern-Manager privat haften müssen

VON KLAUS WOLSCHNER

Fast 15 Jahre ist es her, da krachte der Vulkan-Konzern zusammen – ein weltweit operierender Werftenverbund mit Geschäftssitz in Bremen. 854 Millionen D-Mark Subventionen hatte der Vulkan von der „Treuhand-Anstalt“ bekommen mit der Auflage, aufgekaufte Werften in Ostdeutschland zu modernisieren. Nach dem Konkurs war das Geld aber weg. Gestern verhandelte das Bremer Oberlandesgericht gegen vier damalige Vulkan-Vorstände über Schadensersatz. Für jeweils 80.000 Euro bzw. 40.000 Euro sollten sich die vier Manager, alle heute um die 70 Jahre alt, von dem Prozess freikaufen, das bot der Vertreter der „Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“ (BVS) an. Das ist die Rechtsnachfolgerin der damaligen „Treuhand-Anstalt“.

Der ehemalige Finanzvorstand Günter Smidt und Johannes Schnüttgen, damals für das Controlling zuständig, nahmen das Angebot an, zwei weitere Vorstände, die im Bereich „Technik“ verantwortlich waren, hatten ihrem Anwalt als Obergrenze für diesen „Ablasshandel“ 20.000 Euro angegeben. Am kommenden Mittwoch steht in derselben Sache der Vorstandsvorsitzende Friedrich Hennemann (73) vor der Zivilkammer.

Um Schuld im strafrechtlichen Sinne geht es längst nicht mehr bei den Vulkan-Verfahren. Bremer Gerichte hatten im Jahre 2001 einzelne Vulkan-Manager zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf mit der Begründung, die Treuhand habe in ihrem Verträgen dem Vulkan nicht untersagt, das Geld ins „Cash-Management“ einzustellen. Es bleibe aber die Frage, so der BGH, ob die Vulkan-Manager denn 1995 geahnt hätten, dass die MTW vor dem Konkurs stand – in diesem Falle hätten die 194 Millionen Mark, die für die MTS-Werft in Wismar vorgesehen waren, nicht ins Cash-Management fließen dürfen. Mit dieser Frage hatte sich das Strafgericht in dem langwierigen Verfahren 1999-2001 nicht befasst.

Das Landgericht hat nun vor wenigen Wochen festgestellt, dass sie wenig Hoffnung haben, dass diese neue Frage heute noch nach so vielen Jahren aufgeklärt werden kann und die Strafverfahren eingestellt. Immerhin hatte die MTW damals vom Wirtschaftsprüfern gute Testate erhalten – der Nachweis, dass Vulkan-Vorstandsmitglieder dennoch den Konkurs „geahnt“ hätten, ist somit schwierig. In dem jetzt anstehenden Zivilverfahren müsste aber genau diese Frage geklärt werden. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Arenhövel malte den Prozessbeteiligten blumig aus, wie langwierig so ein Verfahren sein würde und redete ihnen ins Gewissen, doch durch einen Vergleich die Sache zu beenden – auch im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter der Beschuldigten und die Tatsache, dass daraus kein „erbrechtliches Problem“ werden sollte.

Gegen Zahlung von zwei Mal 80.000 und zwei mal 40.000 Euro wollte die BVS auf ihre Ansprüche von gut 80 Millionen Euro verzichten. Das sei „ein symbolischer“ Preis, lobte Richter Arenhövel und war gleichzeitig mit Engelszungen um Verständnis dafür, dass die Vulkanvorstände doch „gesichtswahrend“ aus der Sache heraus wollten und im subjektiven Empfinden die Höhe der Summe doch als Eingeständnis von Mitverantwortung gewertet werden könnte. Der ehemalige Finanzvorstand Smidt hatte zu den 80.000 Euro schon „ja“ gesagt, Schnüttgen wäre mit 60.000 Euro einverstanden gewesen (mit Hinweis auf seine geringere Mitverantwortung) und stimmte den 80.000 Euro nur „schweren Herzens“ zu. Für die beiden ist das Verfahren damit beendet.

Die Technik-Vorstände Hans E. Hoffmann und Wolfgang Biedermann wären, so ihre Anwalt, für „10 bis 20.000 Euro“ gern heraus gewesen aus dem Verfahren. Die von der BVS geforderten 40.000 Euro müsse er daher ablehnen, so der Anwalt.

Damit war Richter Arenhövel, der 30.000 Euro vorgeschlagen hatte, gestern am Ende seiner Überredungskunst angekommen. Dass wegen der verbleibenden Differenz von 10.000 Euro aber der langwierige Prozess stattfinden wird, damit rechnete gestern niemand wirklich.