Geheimdienstkontrolle, letzte Runde

Parlamentarisches Kontrollgremium berät heute den Bericht zur BND-Affäre. Grüne wollen morgen entscheiden, ob sie einen Untersuchungsausschuss fordern. Neue Brisanz: Deutsche Behörden wussten angeblich frühzeitig von Entführung al-Masris

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Das parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags (PKG) will heute zum letzten Mal über die Aktivitäten deutscher Geheimdienste während des Irakkriegs und im internationalen „Antiterrorkampf“ beraten. Den neun Abgeordneten liegt ein Abschlussbericht der Regierung vor. Heute soll nun entschieden werden, welche Teile des Berichts veröffentlicht werden.

Anschließend wollen die drei Oppositionsfraktionen bekannt geben, ob sie einen Untersuchungsausschuss beantragen. FDP und Linkspartei hatten bereits im Januar einen Ausschuss gefordert, die Grünen dagegen wollten der Regierung bis heute Zeit für Auskünfte geben. Damit ein Ausschuss beschlossen werden kann, müssten alle drei Fraktionen zustimmen. Aus grünen Kreisen hieß es, man warte ab, was der eigene PKG-Vertreter Christian Ströbele berichten werde. Mit einer Entscheidung sei morgen zu rechnen. Ströbele hat sich allerdings bereits zufrieden über den Erkenntnisgewinn im PKG geäußert. Man habe in wenigen Wochen mehr herausbekommen als sonst in monatelanger Ausschussarbeit. Die Auskunftsbereitschaft der Regierung wurde auch von der FDP gelobt. Bei der Bewertung der Erkenntnisse dürfte es jedoch gravierende Unterschiede geben.

Union und SPD kamen bereits im Januar zu dem Schluss, dass die Vorwürfe deutscher Beteiligung am Irakkrieg entkräftet und alle Vorgänge aufgeklärt seien. Einen Untersuchungsschuss hielten sie für unnötig bis gefährlich, weil die öffentliche Erörterung von Geheimdienstaktivitäten die Sicherheit bedrohe.

Die Opposition forderte dagegen weitere Aufklärung und zeigte sich empört über bereits bekannte Fakten. Besonders kritisiert wurde, dass der frühere Innenminister Otto Schily (SPD) sein Wissen um die Entführung des Deutschen Khaled al-Masri durch die CIA für sich behielt. Schily war nach eigenen Angaben kurz nach der Freilassung al-Masris von US-Botschafter Daniel Coats informiert und um Stillschweigen gebeten worden.

Die Staatsanwaltschaft München geht jedoch Hinweisen nach, wonach deutsche Behörden schon während der Entführung al-Masris Bescheid wussten. Dies bestreitet die Regierung bisher. Angeblich soll die Botschaft in Mazedonien aber informiert gewesen sein. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein BKA-Mitarbeiter den Inhaftierten in Afghanistan vernommen hat. Al-Masri war nach eigenen Angaben 2003 an der Grenze zu Mazedonien verschleppt und fünf Monate in Afghanistan von CIA-Mitarbeitern verhört sowie misshandelt worden.

Umstritten ist auch noch die Weitergabe von Informationen des Bundesnachrichtendienstes an die USA. BND-Mitarbeiter in Bagdad sollen während des Irakkriegs mindestens 125 Berichte an ihre Zentrale in Pullach geliefert haben, darunter Meldungen über Truppenbewegungen. Von Pullach seien 25 Berichte an die USA weitergeleitet worden. Laut Leipziger Volkszeitung soll die Regierung in ihrem Bericht darauf verweisen, dass einige BND-Telefonate möglicherweise auch von US-Geheimdiensten abgehört wurden. Eine aktive Unterstützung der US-Kriegsführung bestreitet die Regierung.

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