Staat soll beim Freitod helfen

Arzneimittel-Behörde verweigerte einer gelähmten Frau ein Suizid-Medikament. Nach ihrem Tod klagt nun der Ehemann das Recht auf schonende Selbsttötung vor Gericht ein

Auch in Deutschland soll ein risikoloser und schonender Suizid möglich sein

KÖLN taz ■ Muss der Staat Selbstmörder unterstützen und ihnen einen schmerzlosen Freitod ermöglichen? Diese Frage muss jetzt das Verwaltungsgericht Köln entscheiden. Geklagt hat der Witwer einer querschnittsgelähmten Frau, die zum Sterben in die Schweiz fuhr, nachdem deutsche Behörden ihr die Hilfe verweigert hatten.

Bettina Koch war 51, als sie im April 2002 beim Ausladen ihres Autos stürzte, mit dem Kopf auf einen Blumenkasten knallte und sich den Nacken brach. Seither konnte die ehemalige Betreiberin einer Hundepflegestation in Braunschweig nur noch den Kopf bewegen. Das Herz trieb ein Herzschrittmacher, im Magen ernährte sie eine Sonde, und künstlich beatmet wurde sie auch. Trotz der Lähmung spürte sie am ganzen Körper Schmerzen. „Ich hasse meinen Körper, weil er mir das angetan hat“, sagte sie dem Magazin Stern.

Die Ärzte aber erklärten, ihr Zustand sei stabil, sie habe noch viele Jahre zu leben. Da beschloss Bettina Koch, dass sie sich selbst töten will. Sie trat dem Schweizer Sterbehilfeverein Dignitas bei, der auch Ausländern den Freitod in der Schweiz ermöglicht. Um aber die strapaziöse Reise in die Schweiz zu vermeiden, machte sie auf Anraten von Dignitas noch einen letzten Versuch, den Tod im eigenen Heim zu organisieren.

Sie stellte beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn den Antrag auf Abgabe einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital. Das Narkosemittel führt nach Angaben von Dignitas binnen kurzer Zeit zum Koma und später zur Lähmung des Atemzentrums. Der Sterbende verspüre keinen Schmerz, und für begleitende Angehörige wirke das Sterben wie ein „natürliches Einschlafen“.

Doch die Behörde lehnte den Antrag unter Berufung auf das Betäubungsmittelgesetz ab. Medikamente dürften in Deutschland nur verschrieben werden, wenn sie lebenserhaltend oder lebensfördernd wirken. Die Vernichtung von Leben sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Also ließ sich Bettina Koch im Februar 2005 doch mit einem Krankenwagen zehn Stunden in die Schweiz fahren, begleitet von Mann und Tochter. Dort beging sie dann Freitod mit Natrium-Pentobarbital, das in der Schweiz an lebensmüde Schwerstkranke verschrieben werden darf.

Ihr Mann, Ulrich Koch, allerdings führte das Verfahren gegen das Bonner Bundesamt fort, es ist das erste dieser Art. Der Rentner will erreichen, dass künftig auch in Deutschland ein risikoloser und schonender Suizid möglich wird. „Verlangt es die im Grundgesetz geschützte Menschenwürde, einem Menschen in diesem Zustand das Leben weiter aufzuzwingen?“, fragte sein Anwalt, Dieter Schulte, gestern im Kölner Verwaltungsgericht. Letztlich handele es sich um eine Frage der Selbstbestimmung, und der Staat müsse dem Bürger dabei helfen.

Henning Völkel, der Vertreter des Bonner Bundesamts, betonte zwar, wie sehr ihn das Schicksal von Bettina Koch berührt habe. Aus rechtlichen Gründen beantragte er dann aber, die Klage als „unzulässig“ abzuweisen. Herr Koch könne nicht klagen, da er „nicht in eigenen Rechten betroffen“ sei. Und seine Frau sei ja nun leider tot. Das Urteil wird in rund zwei Wochen verkündet.

CHRISTIAN RATH