„Kann Herr Spaenle nicht lesen?“

MITWISSER Der Freie-Wähler-Abgeordnete Günther Felbinger über das genaue Wissen des bayerischen Kultusministers Spaenle im Fall der Schweinfurter FOS

taz: Herr Felbinger, Sie haben vor zehn Monaten einen Warnruf an den bayerischen Schulminister wegen der Schweinfurter Chaos-Fachoberschule gesandt. Wo lag das Problem?

Günther Felbinger: Mir hatten sich mehrere Lehrer aus den Privatschulen Schwarz offenbart. Sie kritisierten das Verhalten des Schulleiters, sie machten sich Sorgen um den Schulbesuch mancher Schüler, und sie hatten schlicht Angst um ihre Arbeitsplätze. Ich wollte und konnte, gerade wegen des enormen Drucks, mit denen der Schulleiter seine Beschäftigten einschüchterte, die Angelegenheit nicht selbst regeln. Verzeihen Sie die Ausdrucksweise, aber an der Schule ging es zu wie in Sodom und Gomorrha. Deshalb habe ich den verantwortlichen Minister informiert.

Und haben vor lauter Aufregung die falsche Schule genannt? Bayerns Schulminister Ludwig Spaenle sagt, Sie hätten die Schulen verwechselt.

Kann Herr Spaenle nicht lesen? Der Minister kannte die Schwierigkeiten der Schule, und zwar im Detail. Ich habe ihn vor Problemen in den Privatschulen Schwarz gewarnt und ihm dazu zahlreiche Unterlagen überreicht. Das sind drei Schulen unter einem Dach, die den gleichen Eigentümer und zu weiten Teilen dieselben Lehrer haben. Dazu zählt die Wirtschaftsschule Müller sowie die Real- und die Fachoberschule – Letztere sind Neugründungen aus 2010 und 2011. Wieso der Schulminister die alt eingesessene Wirtschaftsschule prüfte und vor dem Problemfall Fachoberschule die Augen verschloss, das soll er gern den bayerischen Bürgern erklären – und vor allem den Eltern. Die haben ihn, wie wir wissen, ebenfalls schon Ende 2012 gewarnt, dass da was schiefläuft.

Jetzt bietet die Staatsregierung den gescheiterten Abiturienten Plätze in staatlichen FOSen an. Ist damit alles geklärt?

Nein, das ist einer der typischen Schnellschüsse, die wir von Herrn Spaenle kennen. Fast ein Jahr lang ist er unfähig, einer offensichtlich untergehenden FOS zu helfen – und jetzt soll alles ganz schnell wieder gut sein. Dabei geht sein Angebot an den Bedürfnissen und Sorgen der Schüler vorbei. Wieso sollten die plötzlich eine Aufnahmeprüfung bestehen, wo sie gerade 0 Punkte im Abi geschrieben haben? Zudem reicht bei einigen Schülern, wie oft an privaten Fachoberschulen, der Notenschnitt für eine staatliche FOS gar nicht. Der Minister trägt für diese Schüler Verantwortung. Ich finde es nicht zumutbar, dass diese Schüler zwei Jahre wiederholen – oder gar keine Chance aufs Abi bekommen.

Was schlagen Sie vor?

Das Land Bayern muss allen gescheiterten Fachoberschülern eine faire Chance fürs Abi geben.

Und was heißt das?

Jeder Schüler, der durch die Mitverantwortung des bayerischen Schulministers schulisch gescheitert ist, muss – nach einer Prüfung möglichst spät im September – Platz in der 12. Klasse einer staatlichen FOS finden. Um den Erfolg sicherzustellen, sollten diese Schüler die Möglichkeit bekommen, ihre Lücken bis zum neuen Schuljahr zu schließen. Dafür muss man auch die Privatschule haftbar machen, an der diese Schüler gescheitert sind.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER