Im Parteispendenskandal wird es eng für den Premier

SPANIEN Der inhaftierte frühere Kassenwart der konservativen Regierungspartei plaudert

„Das Geld wurde in Tüten, Aktentaschen und Koffern übergeben“

ZEITUNG „EL MUNDO“

AUS MADRID REINER WANDLER

„Fotokopien von Fotokopien sind doch keine Beweise“, verlautet es seit Februar immer wieder aus der Zentrale der in Spanien regierenden Partido Popular (PP), wenn es um den Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung und persönlichen Bereicherung der Führungsriege geht. Damals hatte die Tageszeitung El País Kopien einer minutiösen Buchführung über illegale Parteispenden und die Nutzung der Gelder veröffentlicht. Die Handschrift ist – so bestätigten es die Gutachter – die des ehemaligen Schatzmeisters der PP, Luis Bárcenas.

Seit gestern jetzt liegen der Justiz erste Originale vor. Die Zeitung El Mundo hat sie abfotografiert und veröffentlicht. Die Zentrale der Partei von Regierungschef Mariano Rajoy leugnet weiterhin: „Die Partido Popular erkennt die Notizen und deren Inhalt in keinen Fall als das Kassenbuch der Organisation an“, heißt es in einem Kommuniqué. Doch hinter verschlossenen Türen dürfte es vorbei sein mit der Hoffnung, den größten Korruptionsskandal der spanischen Nach-Franco-Demokratie aussitzen zu können. Denn El Mundo kann nur eine Quelle für die Dokumente haben: Bárcenas selbst. Der Mann, der in den letzten 20 Jahren die Kassen der PP verwaltete, sitzt seit knapp zwei Wochen in Untersuchungshaft. Auf Schweizer Konten wurden 48 Millionen Euro gefunden. Unter Druck beginnt er zu plaudern und das in aller Öffentlichkeit. „Vier Stunden mit Bárcenas“ titelte El Mundo am Sonntag.

Chefredakteur Pedro J. Ramírez berichtet auf drei Seiten über sein Treffen mit Bárcenas kurz vor dessen Inhaftierung. „Das Geld wurde in Tüten, Aktentaschen und Koffern übergeben“, heißt es im Artikel. Die Spenden stammten von Unternehmern. Das Schwarzgeld wurde zum Teil gestückelt und als erlaubte anonyme Kleinspenden auf Parteikonten einbezahlt. Ein anderer Teil ging in die Wahlkampfkassen. Und hohe Parteifunktionäre wurden – so zeigen es die Dokumente – mit Umschlägen bedacht. Regierungschef Rajoy soll 1,6 Millionen Euro erhalten haben. Die Zahlungen gingen selbst dann noch weiter, als er unter José María Aznar Minister war.

Parallel dazu unterhielt die PP ein Netzwerk befreundeter Unternehmer. Das von den Ermittlern „Gürtel“ getaufte Geflecht erhielt öffentliche Aufträge zu überhöhten Preisen und zeigte sich gegenüber Parteifunktionären – bis hin zum damaligen Regierungschef Aznar – erkenntlich. Auch diese Gelder flossen wohl über Bárcenas, der gegenüber El Mundo angekündigt hat, Dokumente zu haben, „die die Regierung stürzen können“.