Treibhaus wie vor 25 Jahren

Klimaschutz? Bremen produziert noch genauso viel Kohlendioxid wie 1981. SPD und CDU klatschen sich dennoch für eine „CO2-Reduktion“ in Höhe von gut 500.000 Tonnen pro Jahr auf die Schulter

Bremen taz ■ Kann man das Klima schützen, ohne die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren? Der Bremer Senat findet: schon. Die 12-jährigen Anstrengungen des Landes und seiner beiden Städte in puncto Klimaschutz ersparten der Atmosphäre jedes Jahr gut eine halbe Million Tonnen Kohlendioxid (CO2), rechnet er im Landesenergieprogramm vor – immerhin 85 Prozent des selbstgesetzten Zieles. Weswegen sich SPD und CDU bei der Debatte des Landesenergieprogramms gestern in der Bürgerschaft auch einig waren: „Wir brauchen uns damit nicht verstecken.“

Ganz anders sahen das die Grünen. Seit 1981 hätten sich die CO2-Emissionen des Landes nicht signifikant verändert, betonte Umweltpolitikerin Karin Mathes. Statt des dicken Senatsberichts bemühte sie als Beleg ein einzelnes Blatt: den vom Statistischen Landesamt ermittelten CO2-Ausstoß. Der liegt von 1981 bis 2002 jeweils bei um die 14 Millionen Tonnen – als Schaubild eine waagrechte, leicht wellige Linie. „Bremen leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz“, resümierte Mathes.

Auf einen angeblichen Minderausstoß an Kohlendioxid kommt der Senat, weil er den Erfolg der von ihm initiierten und geförderten Maßnahmen zusammenrechnet. Die in Bremen seit 1993 erbauten 22 Windkraftanlagen, 16 Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die Nutzung von Gichtgas und der Einbau einer weiteren Turbine im Müllheizwerk erzeugten Strom und Wärme, für die sonst entsprechend mehr Kohle, Öl oder Gas verbrannt werden müsste. Dass die realen Emissionen nicht abnehmen, ist eine Folge des steigenden Energieverbrauchs.

Mathes zeigte sich indes auch von den bisherigen Eigenanstrengungen des Senats alles andere als begeistert. Beispiel Stromsparprogramm: Seit 2002 wurden gerade einmal 25 öffentliche Gebäude mit auffällig hohem Stromverbrauch „untersucht“, in ganzen sechs starteten „Pilotprojekte“. Und das, obwohl ein geringerer Energieverbrauch nicht nur das Klima schone, sondern zugleich die Haushalte entlaste und das örtliche Handwerk fördere. Mit so genannten Contracting-Verträgen sei all das sogar ohne finanzielle Aufwendungen zu erreichen – ein Privatunternehmen übernimmt die Energiespar-Investitionen und kassiert dafür einen bestimmten Anteil der eingesparten Energiekosten. Am Klinikum Reinikenheide in Bremerhaven sei es mit einem solchen Modell – Vertragspartner war die Gebäudemanagement-Sparte von Siemens – gelungen, die Energiekosten um über 40 Prozent zu drücken und der Atmosphäre zugleich jährlich 4.100 Tonnen CO2 zu ersparen. „Das kostet den Staat nichts“, unterstrich Mathes.

Selbst ein von SPD, CDU und Grünen parteiübergreifend erarbeitete Programm zur Energie(spar)politik liegt derzeit auf Eis. Auf Druck der CDU wurde die Vorlage in der Umweltdeputation vor wenigen Tagen ausgesetzt. „Bedauerlich“ sei das, räumte SPD-Frau Karin Garling gestern ein. Frank Imhoff (CDU) verwies auf die angeblich unklare Finanzierung.

Nicht stehen lassen wollten er und Umweltstaatsrätin Christine Kramer auch den Vorwurf, der Senat habe das eigene Sparziel verwässert. Die 1994 noch von der Ampel-Koalition beschlossene CO2-Reduktion um 30 Prozent sei schlicht „unrealistisch“ gewesen – weswegen die große Koalition sie zwei Jahre später durch ein „mindestens 700.000 Tonnen weniger pro Jahr“ ersetzte – nach damaliger Rechnung ein Minus von 11,3 Prozent. Und dieses Ziel, so Imhoff, habe man zehn Jahre später immerhin zu 85 Prozent erreicht. Mathes konterte: „Das Klima richtet sich nach den tatsächlichen CO2-Emissionen – nicht nach den rechnerisch vermiedenen.“

Armin Simon