Hassan, Elke und das Fliewatüüt

Endlich erledigt – der Dialog der Kulturen. Ein moderiertes und moderates Gespräch

Keine zwei anderen Kulturen könnten unterschiedlicher sein: Hassan B. (21, Name geändert) befürwortet als Vorstandsmitglied eines türkischen Neuköllner Gesangsvereins den Heiligen Krieg gegen westliche Werte wie die Wernesgrüner Musikantenschenke. Elke M. (19, Name geändert) hat sich bei einem Töpferkurs in Taizé für Jesus entschieden. In einem von der Wahrheit moderierten Meinungsaustausch sind Hassan B. und Elke M. in einen Dialog der Kulturen eingetreten.

Wahrheit: Liebe Elke, lieber Hassan – was bedeutet Gott für euch beide?

Elke: Also, für mich ist Gott kein alter Mann mit weißem Bart, sondern mehr so ein Bewusstseinszustand, und ich würde deshalb auch lieber vom Göttlichen sprechen als von Gott. Das Göttliche ist irgendwo in uns allen …

Hassan: Gott ist allgewaltig und allweise.

Elke: Stimmt. Okay! Aber eben deswegen sollte man Gott oder das Göttliche nicht als etwas von sich Abgespaltenes definieren, sondern besser in sich selber danach suchen …

Wer Gott verleugnet, den erwartet laut Sure 67 die Strafe des Höllenfeuers, und er hört es prasseln, wenn es sprüht. Es gibt Menschen, die diese im Koran formulierte Gewaltandrohung als Gewaltandrohung interpretieren. Magst du dazu etwas sagen, Hassan?

Hassan: Wen Gott irregehen lässt, dem ist kein Pfad.

Ah ja? Und was soll das heißen? Erklär es bitte.

Hassan (schweigt): …

Hallo? Hassan? Hallo?

Elke: Ich bin auch noch da. Darf ich auch mal was sagen?

Bitte sehr.

Elke: Ich brauche keinen Papst. Ich kann das Göttliche in allem erkennen, in mir selbst oder, sag ich mal, im Flügelmuster einer Libelle …

Die Insekten frisst. Findest du es gut, dass Gott Lebewesen erschaffen hat, die einander auffressen? Und wie schmeckt dir als Christin die in der Offenbarung des Johannes angekündigte Folterung von Atheisten? Da heißt es: „Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt …“

Hassan: Feuer? Schwefel? Mach meine Schwester nicht an!

Will ich doch gar nicht. Es geht doch nur um die Frage …

Hassan: Willst du konkret Kloppe haben? Kannst du haben!

Nein.

Hassan: Elke hier ist meine Schwester, kapiert?

Elke: Lass ihn, Hassi. Der wird niemals was von unseren religiösen Gefühlen begreifen.

Hassan: Mir sind meine religiösen Gefühle heilig! Heilig, verstehst du? Weißt du überhaupt, was das ist, ein religiöses Gefühl? Du Ausgeburt der Hölle?

Gute Frage. Ich möchte sie mit einer Gegenfrage beantworten – wärt ihr zwei beiden Hübschen dazu bereit, diesen interkulturellen Dialog nächste Woche mit einem Zeugen Jehovas und dem Vertreter einer Ufo-Sekte fortzusetzen?

Elke: Pffft – weiß ich noch nicht. Was wäre denn das für ein Wochentag? Am Mittwoch muss ich zum Aikido.

Hassan: Gott ist der Allmächtige, der Allerbarmer, der Allbarmherzige, das Fliewatüüt.

Das wollte ich hören. Liebe Elke, lieber Hassan! Ihr habt jetzt schon mehr für den Dialog zwischen den Kulturen getan, als ihr euch vorstellen könnt.

GERHARD HENSCHEL