Eliteförderung schadet den Unis

HOCHSCHULE Um Verwerfungen an Unis zu vermeiden, muss die Exzellenzinitiative geändert werden, sagt eine Studie. Sonst kannibalisieren ihre Projekte andere Forschungszweige

VON MARTIN KAUL

„Parallelstrukturen“, „Überspezialisierung“, „Generationenstau“ – das sind die Signalwörter einer Bilanzstudie zur Exzellenzinitiative an deutschen Unis, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Darin verweisen die Autoren auf zahlreiche Probleme, die das 1,9 Milliarden schwere Sonderprogramm des Bundes teils nicht gelöst, teils überhaupt erst ausgelöst habe. „Zwar antwortet die Exzellenzinitiative gezielt auf Probleme der Spitzenforschung an deutschen Universitäten, für andere grundlegende Probleme bringt sie jedoch keine Abhilfe“, sagte der Herausgeber der Studie, Stephan Leibfried.

14 Autoren hatten im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften seit 2008 an der Bilanz gearbeitet. Sie warnen vor den Nebeneffekten des Eliteprogramms: „Die Exzellenzinitiative kann bundesweit gesehen zu Ungleichgewichten zwischen den Fächern und zu Überspezialisierungen ganzer Wissenschaftlergenerationen führen“, sagte Leibfried. Eine Gefahr ergebe sich gerade für derzeit erfolgreiche NachwuchswissenschaftlerInnen, die am meisten von der Initiative profitieren sollten. Mitautor Michael Zürn sagte: „Es droht ein neuer Generationenstau junger Wissenschaftler.“ Durch die Exzellenzinitiative werden begabte DoktorandInnen derzeit massenhaft in Projekte gezogen – mittelfristig droht ihnen und ihren Projekten aber der Wegfall der Mittel.

Mit Blick auf die Konzeption der Exzellenziniative sprach Zürn von einem „grundsätzlichen Problem, weil das Wettbewerbsformat der Exzellenzinitiative auch die institutionellen Unistrukturen in Mitleidenschaft zieht“. Dies werde durch die Unterfinanzierung der Hochschulen noch verschärft. „An den Universitäten gibt es Konflikte aufgrund von Ungleichheiten.“

Anders gesagt: Mit der Exzellenzinitiative pinkeln der Bund und die Länder in die Gärten der Hochschulen. Dort gedeihen wegen der Sonderdüngung die schönsten Pflänzchen. Sobald die Zusatzförderung jedoch beendet ist, werden die Exzellenzprojekte sich nur auf Kosten anderer Universitätsbereiche erhalten können. Dann entziehen sie anderen Bereichen den Nährstoff.

Schon heute gibt es an vielen Hochschulen daher Konzentrationsprozesse von der Breite in die Spitze – und einen offenen Kampf um Ressourcen. Deshalb warnen die Autoren der Studie davor, dass die Exzellenzinitiative auf Dauer kleine Fächer systematisch benachteiligen könne.

Um diese Probleme zu verhindern, müsse der Bund sich dauerhaft für die Hochschulen engagieren, sagte Leibfried. „Es darf nicht bei einmaligen Sonderprojekten bleiben.“ Leibfried forderte den Ausbau des Hochschulpakts und zusätzlicher Anstrengungen zur Förderung der Hochschulen. Auch müsse über eine Entschleunigung der Exzellenzinitiative nachgedacht werden. Mit ihr hatten Bund und Länder 1,9 Milliarden Euro an die Hochschulen verteilt und neun „Elite-Unis“ ausgerufen. Eine neue Runde steht für 2011 bis 2017 an.

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