Diskriminierung setzt Koalition unter Druck

Da staunen die Fachleute: Die CDU will in Kürze das überfällige Gesetz gegen Diskriminierung vorlegen

BERLIN taz ■ Jetzt scheint auch die CDU verstanden zu haben, dass Deutschland schleunigst ein Antidiskriminierungsgesetz braucht. Allen voran Fraktionsvize Wolfgang Bosbach, der erklärte, die große Koalition sei sich schon weitgehend einig. Es werde ein Allgemeines Gleichstellungsgesetz geben, das bis auf wenige Ausnahmen nicht über die vorgegebenen Richtlinien der EU hinausgehen werde. Bereits seit 2003 ist die Frist für den Gesetzentwurf abgelaufen. Deshalb läuft gegen die Bundesrepublik ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission.

Die EU-Richtlinien verbieten Diskriminierungen aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderungen und Religion. Jeder, der im Arbeitsleben aus einem dieser Gründe diskriminiert wird, kann klagen. Im Zivilrecht, etwa beim Einkaufen oder im Mietrecht, ist das nicht immer der Fall. Behinderte oder Homosexuelle können sich hier nicht auf das Gesetz berufen.

Das Engagement für ein Antidiskriminierungsgesetz von Seiten der Union ist neu. Bisher gab es zwischen SPD und Union große Differenzen, wie ein solches Gesetz aussehen soll. Während die SPD für ein über die EU-Richtlinien hinausgehendes Gesetz plädierte, wollte die Union möglichst nah an den Richtlinien bleiben. Ein Gesetzesentwurf von Rot-Grün scheiterte 2004 im unionsdominierten Bundesrat.

Sollte der Gesetzentwurf tatsächlich demnächst im Bundestag landen, wie Bosbach ankündigte, müssten sich die Koalitionspartner zumindest schon einmal geeinigt haben. Danach sieht es allerdings nicht aus. Zuständig für den Gesetzesentwurf sind das SPD-geführte Bundesministerium der Justiz und das CDU-geführte Familienministerium. Zuletzt war nicht einmal geregelt, welches der beiden Ministerien dabei die Federführung hat. Mitarbeiterverträge liegen auf Eis. Im Justizministerium sieht man sich noch nicht so weit, wie Bosbach behauptet: „In wichtigen Teilen hat man noch keine Einigkeit erzielt“, sagt Sprecherin Christiane Wirth.

Die Grünen kritisieren Bosbachs Pläne als unzulänglich. Die parlamentarische Geschäftsführerin Irmingard Schewe-Gerigk sagte der taz: „Wenn ein Schwarzer nicht in die Disko gelassen wird, kann er künftig dagegen klagen. Ein Behinderter hingegen nicht.“

Bei der EU-Kommission wertet man Bosbachs Ankündigung erst einmal als beruhigend. Sollten den Worten aber keine Taten folgen, werde das Konsequenzen haben, warnte ein Kommissionssprecher. Das Verfahren geht dann vor den Europäischen Gerichtshof – und Deutschland droht eine Geldstrafe.

Der Berliner Jurist Matthias Mahlmann berichtet der EU-Kommission regelmäßig über Deutschlands Fortschritte in Sachen Anti-Diskriminierung. Eine Verurteilung durch den EU-Gerichtshof für Deutschland wäre sehr peinlich, warnt er. Mahlmann führt die schleppende Umsetzung auch darauf zurück, dass das Gesetz keine echte Lobby habe. Interessenverbände setzten sich jeweils nur für eine bestimmte Gruppe ein.

Die jüngste Rechtsprechung setzt die Regierung zusätzlich unter Druck. Im November fällte der Europäische Gerichtshof die sogenannte Mangold-Entscheidung. Sie besagt, dass nationale Gerichte nicht nach Gesetzen entscheiden dürfen, die gegen EU-Richtlinien verstoßen. Das gilt auch, wenn die Richtlinien in einem Land noch nicht umgesetzt sind. Das heißt: Wird Bosbachs Ankündigung nicht bald verwirklicht, müssten deutsche Gerichte trotzdem nach den Anti-Diskriminierungs-Richtlinien der EU urteilen. KERSTIN SPECKNER