Die Unterstützer von Mladić sind nach wie vor mächtig

Vieles spricht dafür, dass sich die Schlinge um den Hals des früheren Serben-Generals und mutmaßlichen Kriegsverbrechers enger zieht. Seine Verhaftung steht bevor. Bisher wurde Ratko Mladić von nationalistisch-kriminellen Netzwerken gedeckt. Aber deren Einfluss schwindet

SARAJEVO taz ■ Immer wenn serbische Medien in den letzten Monaten behaupteten, der vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchte Exgeneral Ratko Mladić werde bald festgenommen, stellte sich das als falsch heraus. Am Dienstagabend berichtete die Radiostation der ostbosnischen Stadt Bijeljina als Erste, Mladić sei schon festgenommen. Die Tatsache, dass die Radiostation in Bijeljina einem nationalistischen Radikalen gehört, legt den Schluss nahe, hier werde bewusst Verwirrungspolitik betrieben. Und doch spricht vieles dafür, dass sich die Schlinge um den Hals des Gesuchten enger zieht.

Es liegt etwas in der Luft, man erwartet seine Verhaftung. Vor dem Militärstützpunkt der österreichischen Eufor-Truppen am Flughafen der ostbosnischen Stadt Tuzla versammeln sich schon Journalisten. Da in diesem Stützpunkt auch noch amerikanische Nato-Einheiten stationiert sind, die mit der Festnahme von Kriegsverbrechern befasst sind, wird spekuliert, Mladić würde von Serbien nach Tuzla gebracht und von dort aus nach Den Haag geflogen.

Belgrad aber zögert in der Kriegsverbrecherfrage – und das hat, etwa in Sachen EU, weitreichende Folgen. Kein Wunder, dass Premierminister Koštunica neuerdings angeschlagen wirkt. Er muss um der serbischen Interessen willen gegen Mladić’ Unterstützer vorgehen. Und steckt in einer Zwickmühle.

Die Unterstützer von Maldić sind nämlich nach wie vor mächtig. Im bosnischen Krieg hatten die serbische Polizei, die Armee der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, die Freischärlertruppen wie die „Weißen Adler“, die „Arkantruppen“ und andere eng zusammengewirkt. Da alle Beteiligten im Zuge der ethnischen Säuberungen nicht nur Verbrechen begingen, sondern auch versuchten, sich persönlich zu bereichern, entstand eine Struktur, in der Kriminelle, Polizisten, Soldaten, Teile des Verwaltungsapparats, der politischen Parteien und der orthodoxen Kirche miteinander verwoben waren.

Ihre gemeinsame Ideologie, der serbische Nationalismus, war ein Schirm, der diesem korrupten und kriminellen Netzwerk Legitimation verschaffen sollte. Nach dem Krieg verschwanden diese Strukturen in Bosnien nicht. Im Gegenteil: Seit 1996 weiteten sich die nationalistisch-kriminellen Netzwerke auf viele zivile Bereiche in Serbien selbst aus. Und sie beeinflussten die Politik in beiden Ländern.

Einer der großen Paten dieses Netzwerks und Unterstützer von Mladić heißt Momčilo Mandić. Der erste Justizminister der serbischen Teilrepublik in Bosnien beherrschte bis vor kurzem den Schwarzmarkthandel mit Benzin und soll nach internationalen Quellen seit 1995 weit über eine Milliarde Euro verdient haben. Er konnte sich in der serbischen Teilrepublik in Bosnien und in Serbien Beamte und Politiker kaufen. Auch die Kirche ist ihm wohl gesinnt. Sogar die Partei des Premierministers Serbiens soll von ihm gesponsert sein.

In Bosnien und Herzegowina wurde das Netzwerk in den letzten Monaten angeschlagen, vor allem durch Ermittler des neuen Strafgerichtshofs gegen Korruption und Kriegsverbrechen in Sarajevo. Sie spürten Momčilo Mandić in dem montenegrinischen Badeort Budva auf, die montenegrinische Polizei verhaftete ihn – und ein Hubschrauber der europäischen Friedenstruppe Eufor in Bosnien brachte ihn am 17. August nach Sarajevo. Seither sitzt er im Gefängnis. Die Banken in Bosnien werden jetzt scharf kontrolliert. Und die westlichen Geheimdienste sind aktiver als zuvor.

Als vor 14 Tagen zwei von Mladic’ Leibwächtern in Belgrad festgenommen wurden, war auch ein Zeichen in Serbien gesetzt. Die internationalen Truppen haben in Serbien selbst keinen Einfluss. Doch serbische Geheimdienstleute und Ermittler des Haager Tribunals arbeiten seit Ende vergangenen Jahres zusammen, um Mladić aufzuspüren. Auch dort scheint ihm der Boden jetzt zu heiß zu werden. Die ihm ergebenen Teile der serbischen Armee, auf die er sich bisher stützen konnte, scheinen wie das Netzwerk insgesamt angeschlagen.

Noch ist die serbische Mafia eine Hydra, „der kannst du viele Köpfe abschlagen, und sie bleibt doch lebendig“, sagt ein Informant bei der bosnischen Polizei. Der frühere Premierminister Serbiens, Zoran Djindjić, wurde 2003 bei einem Anschlag ermordet, weil er begonnen hatte, gegen die Hydra vorzugehen. Premierminister Koštunica riskiert jetzt viel. Doch es bleibt ihm keine Wahl. Er muss sich gegen das Netzwerk stellen. Und Mladić so bald wie möglich fassen lassen. ERICH RATHFELDER