„Wir behalten uns alle Schritte vor“

Der FDP-Geheimdienstexperte Stadler findet längst nicht alle Fragen zur Geheimdienstaffäre geklärt

taz: Herr Stadler, heute hat die Bundesregierung Ihnen im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) den Bericht zu den Geheimdienstaktivitäten im Kampf gegen den Terror vorgelegt. Was ist Ihr Fazit?

Max Stadler: Es gibt erhebliche Meinungsunterschiede zwischen der großen Koalition und der FDP in der Bewertung des Schlussberichts. Die große Koalition erklärt alles für in Ordnung, was passiert ist. Das kann ich nicht nachvollziehen. Wenn die Bundesregierung heute findet, man dürfe aus Menschenrechtsgründen niemanden zum Verhör nach Guantánamo schicken, dann muss das 2002 auch gegolten haben. Bei der Befragung in Syrien wurde dieselbe rote Linie überschritten. Und im BND-Einsatz im Irak bleibt es meiner Ansicht nach bei dem Spannungsverhältnis zur Anti-Kriegs-Linie der rot-grünen Regierung.

Aber so weit waren wir vor vier Wochen auch schon.

Im Detail können wir das erst weiter diskutieren, wenn die Regierung entschieden hat, welche Teile sie vom Bericht veröffentlicht. Sie wäre aber gut beraten, ihn weitgehend zugänglich zu machen.

Weitgehend? Warum nicht ganz? Es geht doch nur um Vorfälle in der Vergangenheit.

Das geht datenschutzrechtlich einfach nicht. Wir sind ja in der ulkigen Situation, dass die, die vom Parlament kontrolliert werden – nämlich die Regierung –, selbst entscheiden, was sie zur Debatte veröffentlichen. Bei einem Untersuchungsausschuss wäre das umgekehrt.

Ihre ersten Stellungnahmen klangen, als rückten Sie von der Forderung nach einem Ausschuss ab.

Im Gegenteil: Die FDP behält sich alle Schritte vor. Wir werden uns in der nächsten Fraktionssitzung entscheiden.

Wolfgang Neskovic von der Linksfraktion stürmte heute unter Protest aus dem PKG.

Der Passus im PKG-Gesetz, um den es ihm ging, ist in der Tat unglücklich formuliert. Das müssen wir aber nicht klären, denn wenn der Bericht öffentlich ist, hat sich sein Problem im Prinzip erledigt.

Werden Sie sich mit linken und grünen Oppositionskollegen auf eine Linie einigen?

Dazu müssen die sich erst einmal für oder gegen einen U-Ausschuss entscheiden. Es ist jedenfalls klar, dass auch nach vielen PKG-Sitzungen viele Fragen der Opposition offen sind. Besonders zu den CIA-Flügen und zu den angeblichen CIA-Gefangenenlagern in Europa haben wir wenig erfahren. Auch der Hergang der Entführung des deutschen Staatsbürgers Khaled al-Masri ist noch offen. INTERVIEW: UWI