WAS MACHT EIGENTLICH ... das weiße Kaninchen?
: Für Künstler den Kopf hinhalten

Manchmal ist das Leben ungerecht: Der eine tötet einen Hai, versenkt ihn in Formalin und mischt die Kunstwelt auf. Irgendwann kauft jemand den toten Fisch für ein paar Millionen und stiftet ihn dem MoMA in New York. Ein anderer tötet in einer Galerie am Hackeschen Markt zwei weiße Kaninchen, versenkt die Köpfe in Formalin und kündigt an, den Rest aufzuessen. Gegen ihn erstattet das Bezirksamt Mitte Anzeige, die grüne Abgeordnete Claudia Hämmerling fordert seine Bestrafung, die CDU will den Fall im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses diskutieren und die B.Z. zerrt den Künstler und seine „bizarre Sex-Muse“ täglich auf die Titelseite.

Klar: Damien Hirst (der mit dem Hai) ist ein Big Player, Falk Richwien (der mit den Karnickeln) ein Nobody. Und soll man sich mit einem solidarisieren, der Tiere vor Galeriebesuchern das Genick brechen und köpfen lässt? Irgendwie widerlich.

Aber das war ja das Anliegen des Künstlers: Er wollte, so sagt er, das verdrängte Raubtierhafte im Menschen aufzeigen. Und da liegt er nicht ganz falsch. Das Heuchlerische einer Gesellschaft, die Tag für Tag Millionen Tiere verbraucht, aber kein Blut sehen kann, ist offenkundig.

Juristisch und vielleicht auch moralisch dürfte relevant sein, ob die Nager tatsächlich quälerisch und ohne Betäubung (wie kolportiert) oder von einem sachkundigen Fleischer (so Richwien) getötet wurden. Für die B.Z. sind auf jeden Fall noch ein paar schmissige Häschen-, Lack- und Leder-Fotos drin. Zumindest für sie war die Aufregung nicht umsonst. CLP
FOTO: Reuters