EIN GESETZLICHER MINDESTLOHN MUSS HER – UND ERFORDERT MUT
: Das Leben ist nicht pfändbar

Oft dreht es sich nicht nur ums Geld, wenn es ums Geld geht. Zum Beispiel die Einkommen – sie werden zum sozialpolitischen Schlüsselthema, weil damit auch gesellschaftspolitische Entwicklungen abzuhandeln sind. Muss ein Entgelt heute noch ausreichen, um als Alleinverdiener eine Familie zu ernähren? Gibt es Armutslöhne, deren Höhe man geißeln muss? Wie groß sollte der Unterschied zum Arbeitslosengeld sein? In der Beantwortung dieser Fragen wird die Politik nicht um einen gesetzlichen Mindestlohn herumkommen.

Längst sind die traditionellen Verdienststrukturen durcheinander geraten. So bekommen angelernte VerkäuferInnen mancherorts weniger als 700 Euro netto, wenn sie Vollzeit ackern. Angestellte Bauhandwerker bringen mitunter kaum mehr als 800 Euro netto nach Hause. Diese Entgelte rutschen sogar unter den Pfändungsfreibetrag für hoch Verschuldete, der bei 985 Euro netto liegt. Wenigstens die Gläubiger haben das Nachsehen bei den Armutslöhnern – interessanterweise wird diese Differenz von der Politik nicht thematisiert. Stattdessen wird mit einem anderen Abstand Stimmung gemacht: Das Arbeitslosengeld II inklusive Miete liegt nur um 100, 150 Euro unter den Niedriglöhnen. Gern beklagt die CDU, dass sich für manche Leute angesichts der Sozialleistungen eine geregelte Arbeit „nicht lohne“. Also: Das Arbeitslosengeld sei zu hoch und müsse gekürzt werden. Das Argument folgt dem Trend zu Vergleichen „nach unten“. Auch so kann man einen Sozialstaat abbauen.

7,50 Euro brutto die Stunde hat die Gewerkschaft Ver.di als gesetzlichen Mindestlohn vorgeschlagen. Damit brächte eine allein stehende Vollzeitkraft rund 900 Euro netto im Monat nach Hause. Eine Rettungsmaßnahme wäre dies nicht nur für die Erwerbstätigen, sondern auch für die bisherige Höhe der Sozialleistungen und damit für einen minimalen Lebensstandard. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erfordert jedoch politischen Mut – denn Nebenwirkungen wird es geben. Die Preise mancher Dienstleistungen dürften steigen, das Risiko der Schwarzarbeit zunehmen. Und das Protestgeschrei ist schon zu hören.

BARBARA DRIBBUSCH