Deutscher China-Boom ist Vergangenheit

Beim ersten Besuch als Außenminister drängte Frank-Walter Steinmeier (SPD) die chinesische Regierung, geistiges Eigentum made in Germany besser zu schützen. Derweil gehen die deutschen Exporte in das Reich des Wirtschaftswunders stark zurück

AUS PEKING GEORG BLUME

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich viel vorgenommen bei seinem ersten offiziellen Besuch des Wirtschaftswunder-Landes China. Einerseits wollte er den Chinesen ernsthafte Verhandlungen über den Schutz geistigen Eigentums abringen, andererseits die konzernfreundliche Politik seines Exchefs im Bundeskanzleramt, Gerhard Schröder, renovieren. So verkündete Steinmeier die neue Maxime deutscher China-Politik: „Wir müssen die Haltung der chinesischen Regierung diskutieren.“ Der Außenminister sagte das, als könne das kleine Deutschland das große China an den Pranger stellen.

Doch Steinmeier versuchte es. Schon seine Reiseroute lehrte Peking Geduld: Erst besuchte er Japan und Südkorea, dann erst China. Statt, wie die rot-grüne Regierung, nur China-Politik zu betreiben, wolle er Asien-Politik machen, betonte man in Delegationskreisen. Auch strich man heraus, dass Steinmeier den Konzern-Ballast Schröders abgeschüttelt habe. Der war stets mit den großen Wirtschaftsbossen zur Unterzeichnung teurer Verträge nach Peking gekommen. Steinmeier dagegen begnügte sich mit einer Gruppe bescheidener Mittelständler im Tross – und rückte stattdessen die Grundprobleme der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen in den Vordergrund.

Dafür gab es allerdings einen gewichtigen Anlass: Konnten die Deutschen noch in Zeiten der rot-grünen Koalition mit satten Ausfuhrzuwächsen nach China glänzen – durchschnittlich nahmen die deutschen Chinaexporte von 1999 bis 2004 um 23,1 Prozent zu –, folgte zum Berliner Regierungswechsel 2005 der Einbruch. Von Januar bis November letzten Jahres gaben die deutschen China-Exporte um 0,5 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres nach. Umgekehrt stiegen die deutschen Einfuhren aus China um 20,7 Prozent ähnlich stark wie in den Vorjahren. Folglich mussten in Berlin die Alarmglocken läuten. Statt wie bisher nur Gewinner gibt es im deutsch-chinesischen Wirtschaftsverhältnis plötzlich beides: Gewinner und Verlierer.

Wer aber sind die Verlierer? Etwa das Transrapid-Konsortium der deutschen Konzerne ThyssenKrupp und Siemens? Das Transrapid-Thema begleitete Steinmeier in Peking auf Schritt und Tritt. Aber nicht nur, weil die chinesische Regierung während seines Aufenthalts in China die Entscheidung traf, die bisherige Transrapid-Strecke in Schanghai um 160 Kilometer auszubauen. Das hört sich für ThyssenKrupp und Siemens eher gut an.

Prekär sind jedoch die langfristigen Aussichten. Erstens, weil es den Transrapid vermutlich bald auch als Plagiat auf einer neuen, rein chinesischen Teststrecke geben wird. Auch wenn Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer das noch nicht glauben mag. Zweitens, weil beim Zug nach Hangzhou bereits 70 Prozent aller Teile in China gefertigt werden sollen. Beide Trends erklären den Einbruch der deutschen China-Exporte: Denn chinesische Plagiate deutscher Technologie und deutsche China-Produktionen mit hohem „local content“ ersetzen zunehmend die deutsche Warenausfuhr nach China.

Steinmeier wird einen Teufel tun, das in Peking direkt anzusprechen. Er weiß, was sich für einen Exportweltmeister ziemt. Dafür aber setzte er den Schutz des geistigen Eigentums deutscher Firmen in China an die erste Stelle der neuen Peking-Prioritäten der großen Koalition. Das Thema lautet „Technologieklau“. Dabei sind die Chinesen natürlich die Bösen und die Deutschen die Guten. Auch damit aber setzt sich Steinmeier von Schröder ab, der diese Gut-Böse-Einteilung zu vermeiden wusste.