DAS DING, DAS KOMMT
: Aktuelle Novelle

DER SCHIMMELREITER wird, ja: muss vorkommen in einem neuen Buch über den Husumer Dichter Theodor Storm

Der Stoff ist aktuell und geht seit Jahren sehr gut auf nordischen Bühnen: 2008 etwa wurde Theodor Storms „Schimmelreiter“ in Hamburg inszeniert, im Mai dieses Jahres in Lüneburg. Es sind latent überschwemmungsgefährdete Städte wie diese, die sich gut eignen für die Novelle, die ja Probleme des Deichbaus reflektiert, genauer: darüber, ob die Deichkante steil oder sanft ansteigend sein sollte und ob das Bewährte wirklich sicherer ist.

Insofern ist Storms 1888 erschienenes Buch, das auf einer nie verifizierten Sage beruht, geradezu prophetisch gewesen, und das tragische Ende des fortschrittlichen Deichgrafen Hauke Haien: ein warnendes Omen. Trotz aller wohlwollenden Rezeption aber schimmelte der Originaltext lange in der Kieler Landesbibliothek vor sich hin. Zwar hatten Storms Nachfahren die zehn losen Hefte irgendwann mal zu einem Buch zusammengeflickt, aber auch Stockflecken und Tintenfraß sich des Papiers bedrohlich bemächtigt. Das Land Schleswig-Holstein schließlich gab irgendwann doch 2.000 Euro für die Restaurierung des Skripts, dessen Wert sich auf 25.000 Euro beläuft. Jetzt sind die Restaurateure fertig, und die Kieler Kulturministerin Anke Spoorendonk vom SSW war dieser Tage mächtig stolz bei der Präsentation ihrer Ergebnisse.

Froh mag auch Jochen Missfeldt sein. Gelesen haben wird er den „Schimmelreiter“ – und noch viele weitere Storm’sche Texte – auch ohne Tuchfühlung mit dem Original. Aber zupass gekommen sein wird es ihm, dass die Restauration ungefähr pünktlich zur Herausgabe seines Buchs „Du graue Stadt am Meer. Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert“ fertig wurde, aus dem Missfeldt am kommenden Mittwoch in, nein, nicht in Husum, aber immerhin in St. Peter-Ording liest.

Auf fast 500 Seiten setzt der gebürtige Satruper Missfeldt den Literaten Storm, der zwischen Romantik und Realismus wandelte, in die politischen Verwerfungen seiner Zeit: in die Dispute zwischen Dänen und Preußen etwa. Und dann war dieser Storm auch einer, der drei Anläufe brauchte, bevor eine Frau ihn wollte. Seine Kusine heiratete den „hypochondrischen Egomanen“ schließlich. Aber sie überlebte ihn nicht.

„Storms Charakter hat mich verstört und vor den Kopf gestoßen. Sein einziges Vorbild: er selber“, schreibt Missfeldt über den Autor, mit dem er die Heimatlandschaft teilt. Da versteht man gut, warum das Buch mit dem Blick des Deichwanderers Missfeldt auf die Husumer Wolken beginnt. Denn es ist auch eine Spurensuche, entsprungen wohl dem Wunsch, in der Heimat weitere Wurzeln zu finden, Anschluss an die Ahnen vielleicht.

Die Stadt Husum hat das schon länger erkannt – 2010 verlieh sie Missfeldt den Theodor-Storm-Preis. PETRA SCHELLEN