„Glaubwürdig und authentisch sein“

Einfache Botschaften und gute Slogans bringen mehr als Kontrollen und Appelle, sagt Suchtexperte Michael Klein

taz: Herr Klein, was ist so schlimm daran, dass Jugendliche an Karneval Bier und Schnaps trinken?

Michael Klein: Die große Gefahr besteht in der akuten Vergiftung, nicht in der Suchtgefahr. Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung gibt es immer öfter. Außerdem ist eine ganz große Gefahr, dass ein bestimmter Trink- und Konsumstil bei den Jugendlichen entsteht und sich festsetzt. In diesem Alter bilden sich bestimmte Konsumstile ja gerade erst aus. Das größte Problem ist das „Binge-Drinking“, das so genannte „Koma-Trinken“. Dabei geht es darum, in relativ kurzer Zeit möglichst viel zu trinken.

Wie könnte man dieses exzessive Trinken denn verhindern?

Es ist sicherlich wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernen mit dem Konsum rechtzeitig aufzuhören. Sie müssen lernen sich selbst ein Limit setzen. Dazu müssen sie wissen, was für negative Effekte der Alkohol hat und dass Alkohol mit einer gewissen Verzögerung wirkt. Wenn man nach drei Bier in einem angenehmen Zustand ist, denkt man oft nicht an später. Genau dann sollte man aber aufhören. Gut ist natürlich, wenn das auch die Freunde in der Clique wissen und auch so akzeptieren.

An Karneval gibt es deshalb immer wieder Informationskampagnen der Städte und Gemeinden. Reichen diese Kampagnen aus?

Anti-Alkohol-Kampagnen, die über Informationen das Verhalten ändern wollen, sind gut, aber sicherlich nicht ausreichend. Das Trinkverhalten an Karneval wird vor allem affektiv, also sehr stark über Stimmung und Gefühle gesteuert. Man muss also sehr stark die Stimmung und die Gefühle ansprechen. Dafür braucht man einfache Botschaften und gute Slogans. Und man muss unbedingt die Peer-Groups, die Vorbilder in der Clique der Jugendlichen erreichen.

Erreicht man die denn mit Appellen?

Nur appellieren ist sicherlich zu wenig. Kinder und Jugendliche, die ohnehin anfällig sind für Alkohol, erreicht man so natürlich nicht. Aber für alle anderen Jugendliche gilt, dass man vor allem glaubwürdig und authentisch sein muss. Dazu gehört unter anderem selbst ein Vorbild zu sein. Aber auch Trendsetter, Peer-Groups, bekannte Musiker oder Bands, wie die Höhner zum Beispiel, können Vorbilder sein. Letztendlich müsste man das aber auch das ganze Jahr über machen, nicht nur an Karneval.

Angebote wie der „Jeck-Dance“ in Köln, wo Jugendliche ohne Alkohol feiern sollen, sind also sinnvoll?

Das kann schon sinnvoll sein, weil es die Jugendlichen direkt anspricht. Allerdings hat man hier auch ein Kontrollproblem. Man kann ja nicht alle Jugendlichen davon abhalten Alkohol zu trinken. Aber man vermeidet vielleicht Exzesse, Rauschzustände und Alkoholvergiftungen. Das ist etwas sehr positives.

Und die Kontrollen des Jugendschutzes in Gaststätten und im Einzelhandel durch Polizei und Ordnungsamt?

Da bin ich in Deutschland skeptisch, ob das viel bringt. Da müsste sich erst die Haltung der Gaststättenbetreiber und Einzelhändler ändern. Gast und Kunde sind denen meist egal. In anderen Ländern, beispielsweise in Australien, ist das anders, da hat so etwas funktioniert. Die Gastwirte dort haben sich freiwillig zu schärferem Jugendschutz verpflichtet. Da gibt es aber auch eine völlig andere Mentalität. In Deutschland zählt nur der Umsatz, gerade an Karneval. Interview: Simon Lenartz