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Menschen statt Steine

Weil sich ihre Mitgliederzahl drastisch verringert, plagen die Evangelische Gemeinde Eimsbüttel Finanznöte - zwei ihrer vier Kirchen wurden schon geschlossen: „Es macht wenig Sinn, sich an teure Gebäude zu klammern, die nicht voll genutzt werden“von Mathias Becker

Schwere Entscheidungen trägt man gerne ein bisschen vor sich her. Holt Informationen ein. Wägt nochmal ab. Nimmt Abschied von Alternativen. Ein Jahr hatte auch der Vorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Eimsbüttel gebraucht, bis endgültig feststand, welche zwei seiner vier Gotteshäuser er am ehesten schließen könne. Im Juni 2004 fällte das 25-köpfige Gremium den schmerzhaften Entschluss: Christus- und Apostelkirche bleiben, St. Stephanus- und Bethlehemkirche werden geschlossen. Im vorigen Jahr wurden die Gebäude von Bischöfin Maria Jepsen entwidmet. “Dabei werden Bibel, Kerzen, Altarkreuz und -behang entfernt“, erklärt Michael Babiel, Pastor in der Apostelkirche. Ein Vorgang, an den man sich wohl gewöhnen müsse. Mit diesem Schritt stellt sich Hamburgs größte Kirchengemeinde einer bitteren Realität: Seit 1978 hat sich die Zahl ihrer Mitglieder von 38.000 auf 15.600 verringert. Die Kassen sind leer.

“Es macht wenig Sinn, sich an teure Gebäude zu klammern, die nicht voll genutzt werden“, sagt Hans-Jürgen Buhl vom Kirchenkreis Alt-Hamburg. Als Referent für Gemeinde- und Personalentwicklung berät er die Gemeinden bei ihren Sparplänen. Auch Pastor Babiel findet, der Vorstand sei mit dieser Entscheidung nicht nur seiner finanziellen, sondern auch seiner „geistlichen Verantwortung“ nachgekommen: Keinem der 50 hauptamtlichen Mitarbeiter in der Gemeinde sei gekündigt worden - einige Stellen würden lediglich nicht neu besetzt. Kirchenmusiker, Jugendberater und Diakone verrichteten weiter ihre Arbeit im Stadtteil. Auch die sechs Pastorenstellen blieben erhalten; das Angebot an Kindergartenplätzen werde sogar ausgebaut. Nur Gebäude müssten weichen, getreu dem Motto: „Menschen statt Steine“.

Gerade die Zweckentfremdung der „Steine“ aber ist nicht unproblematisch. 2001 hatten Kirchenmitglieder gegen eine Modenschau mit Dessous in der Altonaer St. Johanniskirche protestiert. Das Gebäude war nach einem Brand auf finanzielle Hilfe angewiesen - und hatte seine Tore für Privatveranstaltungen geöffnet. Auch der Plan, die St.-Stephanus-Kirche als Restaurant zu nutzen, hätte wohl kaum reibungslos realisiert werden können. Die Idee vom letzten Abendmahl - serviert von Küchenchef XY, lieferte Kritikern Futter. Das Projekt scheiterte letztlich an den vielen Auflagen, die der Bezirk dem Investor erteilt hatte.

Doch auch die Kirche ist wählerisch auf der Suche nach geeigneten Käufern. Zunächst prüfe man, ob andere christliche Gemeinschaften, wie Orthodoxe oder Freikirchler, an dem Objekt interessiert seien, erklärt Buhl. Auch eine gemeinschaftliche Nutzung durch Katholiken und Protestanten sei möglich. Erst dann wende man sich an Privatinvestoren, in der Hoffnung, als „Kulturkirche“ weiterzubestehen. Auch Angebote, aus dem Kirchenschiff einen Eventsaal zu machen, würden geprüft. Allerdings: Sind ehemalige Kirchen von außen als solche zu erkennen, bedeute jede unpassende neue Funktion einen Imageschaden für die Kirche als Institution, warnt Buhl. Die Symbolkraft der Gotteshäuser wirke über ihre liturgische Nutzung hinaus.

Einen Imageschaden zumindest müssen die Eimsbüttler im Falle der St. Stephanuskirche an der Lutterothstraße nicht befürchten: Ein Bestattungsunternehmer will den Bau von 1912 mieten und ihn als Urnenhalle nutzen. Problemlos hätte wohl auch die Bethlehemkirche am Eppendorfer Weg verkauft werden können, wie Pastor Babiel andeutet: „In dieser Gegend lassen sich gute Werte erzielen.“ Doch kein Angebot konnte den Kirchenvorstand überzeugen. Wem genau der Kauf der Ex-Kirche verwehrt wurde, verrät Babiel nicht. Nur so viel: „Grundlage aller weiteren Gespräche ist, dass der Käufer Kirche und Gemeindehaus abreißen muss.“ Am besten könne man sich ein Wohnhaus vorstellen. In dem müsse auch der Gemeindekindergarten Platz finden.

Bilder wie Buhl sie aus Amsterdam kennt, will man hierzulande auf jeden Fall vermeiden: „Da gibt es prächtige Kirchen“, erzählt er, „und drinnen ist dann eine Garage oder ein Shop.“

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