Whistleblower sucht Schutz bei Putin

GEHEIMDIENSTE Edward Snowden, untergetauchter Enthüller globaler US-Überwachung, könnte in Russland Asyl bekommen. Der Grund: Er ist schon in Russland, woanders kann er nicht hin. Treffen mit Menschenrechtlern

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | Der von den USA gesuchte ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden will vorübergehend in Russland Asyl suchen, plant jedoch eine spätere Weiterreise nach Lateinamerika. Das berichteten am Freitagnachmittag sowohl die russische staatliche Nachrichtenagentur Nowosti als auch die Moskauer New-York-Times-Korrespondentin Ellen Barry im Anschluss an ein Gespräch Snowdens mit VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo.

„Ich kann nur Russlands Asylangebot annehmen, weil ich nicht reisen kann“, soll Snowden gesagt haben, berichtet Barry unter Berufung auf Tanja Lokshina, die als Vertreterin von Human Rights Watch an dem Treffen mit Snowden teilgenommen hatte. Die Bedingung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Snowden könne nur dann in Russland bleiben, wenn er nichts publiziere, was den USA Schaden zufüge, könne er akzeptieren: „Nichts, was ich unternehme oder plane, soll den USA schaden. Ich wünsche den USA Erfolg“, sagte Snowden.

Auf dem Flughafen gehe es ihm gut, er schlafe gut und fühle sich sicher, berichtete Lokshina weiter. Human Rights Watch veröffentlichte ein Foto des 30-Jährigen, auf dem er gut gekleidet erschien und offenbar bei guter Gesundheit war. Der russische Anwalt Anatoli Kutscherena berichtete, Snowden habe den Asylantrag an Russland offiziell unterschrieben.

Snowden, der durch die Enthüllung geheimer Programme zur Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation weltweit für Aufsehen gesorgt hatte, sitzt seit knapp drei Wochen im Transitbereich von Scheremetjewo fest. Die USA wollen ihm wegen Geheimnisverrats den Prozess machen.

Snowden war zunächst nach Hongkong gereist und hatte von dort eine Reihe geheimer Dokumente an die Presse weitergegeben. Später verließ er die chinesische Sonderverwaltungszone, strandete jedoch in Moskau, weil die US-Behörden seine Papiere für ungültig erklärten. Anfang Juli hatten Frankreich, Spanien, Portugal und Italien, offenbar auf Druck der USA, ihren Luftraum für die aus Moskau kommende Maschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales gesperrt und ihn so gezwungen, einen mehrstündigen Zwischenstopp in Wien einzulegen, weil angenommen wurde, Snowden könne im Flugzeug sitzen.

Die US-Regierung hatte in den vergangenen Tagen Druck auf lateinamerikanische Länder ausgeübt, um eine Aufnahme Snowdens dort zu verhindern. „Es gibt keine Regierung in der Hemisphäre, die unsere Position in dieser Angelegenheit nicht versteht“, zitiert die New York Times einen Mitarbeiter des State Department. Snowden zu helfen „würde die Beziehungen für lange Zeit schwer beschädigen“, fügte der Mann hinzu. Snowden hatte außer aus Venezuela auch aus Nicaragua und Bolivien Asylangebote erhalten. Mitte der Woche hieß es, er wolle das Angebot Venezuelas annehmen – aber offenbar sieht er derzeit keine Möglichkeit, dort auch hinzugelangen.

In US-Medien und Blogs war in jüngster Zeit ausführlich spekuliert worden, auf welchem Weg Snowden in Caracas eintreffen, welche Route er nehmen, ob er getarnt in einer Linienmaschine über Havanna oder auf anderem Weg reisen würde. Sollte sich jetzt bestätigen, dass Snowden stattdessen tatsächlich auf unbestimmte Zeit in Russland bleibt, erschienen ihm diese Überlegungen wohl doch zu riskant. (mit afp)