Der Bär im Patchwork-Park

PATCHWORK-POP Die Liebe zum Club mit Ernsthaftigkeit und Bärenbariton auf den Punkt gebracht: Die britischen Dance-Popper „Hot Chip“ stellen ihr Album „One Life Stand“ vor

„Hot Chip“ haben sich natürlich nicht neu erfunden. Das wäre auch nicht klug gewesen

VON MICHAEL SAAGER

Da kann man nichts machen: Die Band der vergangenen Monate hieß „Hot Chip“. Mal wieder. Die letzte Dekade soll das englische Quintett geprägt haben wie keine andere Gruppe. Vor zwei Jahren nannte man „Hot Chip“ „die Band der Zukunft“. Kleiner geht’s offensichtlich nicht. Und völlig aus der Luft gegriffen sind diese Superlative dann auch nicht: Der größtenteils mit dem Computer generierte Patchwork-Pop-Vergnügungspark, innerhalb dessen Grenzen ein neues Bandmodell erprobt und unterschiedlichste Genres, Sounds und Beatgefüge miteinander versöhnt werden, hätte sich ohne „Hot Chip“ wahrscheinlich nicht als Nonplusultra gegenwärtigen musikalischen Schaffens im (Indie-)Pop etabliert. Oder zumindest nicht so leicht.

Das neue Album heißt „One Life Stand“. Die Band hat sich darauf natürlich nicht neu erfunden. Das wäre auch nicht klug gewesen. Der Fan will die für „Hot Chip“ so typischen Hooklines, will ihren süffigen Dance-Pop, den Duettgesang aus Alexis Taylors betörendem Falsett und Joe Goddards bärenhaftem Bariton. Und weil es auf dem etwas zu kantigen Vorgängeralbum „Made in the Dark“ (2008) zu wenig große, niedliche, kuschelige, erhabene und nicht zuletzt wirklich clubkompatible Songs gab, gibt es nun umso mehr davon. In den Texten geht es um Liebesbeziehungen, Freundschaften, die außer Frage stehende Loyalität zwischen „brothers“, was sich kitschiger liest, als es sich anhört, denn was die fünf hier auf ein stattliches Fundament aus komprimierten Basssounds und schicken House-Beats gestellt haben, sind große Hymnen, beinahe durch die Bank. Es passt einfach.

Eher in die Vergangenheit als in die Zukunft gerichtet, zitieren „Hot Chip“ mit verorgelten Synthesizer-Sounds und einfachen, hart angeschlagenen Piano-Akkorden mehr als einmal Disco und House aus New York und Chicago, spielen sich von den späten 70ern in die späten 90er. Die Zukunft von der Vergangenheit eingeholt? Ach was. Die Band hat, selbst in ihren balladesken Momenten, die Liebe zum Club endlich einmal auf den Punkt gebracht – mit sehr viel Popappeal und Glamour, ohne R’n’B und Rock, mit sirenenhaftem Männergesang und einer Ernsthaftigkeit, die den großen Gefühlen, um die es hier auch musikalisch geht, sehr gut tut.

■ Do, 11. 3., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66