Wie soll dat nur wigger jon?

Der 1. FC Köln verliert das Karnevals-, Rheinland- und vermeintliche Letztechance-Derby gegen Bayer 04 mit 0:3. Sechs Punkte Rückstand auf Nichtabstiegsplatz. Erinnerungen an Abstieg 1998

Unter der Drucksituation, so der FC-Trainer, brächen „einzelne zusammen“

AUS KÖLNERIK EGGERS

Wenigstens war es das Lied zur rechten Zeit. „Wie soll dat nur wigger jon?“, fragt die erste melancholische Zeile der kölschen Bläck-Fööss-Hymne „Bei uns im Veedel“, die am Samstag Nachmittag das Karnevalsderby in Köln-Müngersdorf beschloss. Wie es nun weitergehen soll beim 1. FC Köln nach der vernichtenden 0:3 (0:0)-Niederlage im Derby gegen den Ortsrivalen Bayer Leverkusen, dem 18. Spiel in Folge ohne Sieg, das hatten viele der 50.000 Zuschauer allerdings schon 20 Minuten vor dem Abpfiff beantwortet: Sie waren einfach gegangen. Zwar wurde noch ein Spruchband in die Höhe gehalten. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ war darauf zu lesen, aber wie groß die Hoffnung bei nun sechs Punkten Abstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz in Wirklichkeit ist, das war abzulesen an dem sich rasant leerenden Stadion.

Während Bayer-Coach Michael Skibbe sich sichtlich entspannte, war Coach Hanspeter Latour, der beim 0:0 gegen Dortmund und beim 0:2 in Mönchengladbach noch Fortschritte erkannte, sichtlich zerstört nach diesen 90 Minuten. Weil sie keinerlei Interpretationen zuließen. „Mit solchen Auftritten wie heute hat man keine Chance, die Klasse zu halten“, sagte der Schweizer, und dann sprach er vom „schlechtesten Spiel“ seit Beginn seiner Amtszeit im Januar: „Das schmerzt. Ich bin traurig. Da kommen 50.000 Leute und bezahlen Eintritt, und dann verlieren wir 0:3.“ Er sah ein, dass nicht alle seiner Profis über die nötige Qualität verfügen, um dauerhaft in der ersten Liga spielen zu können. Unter der Drucksituation, so Latour, brächen „Einzelne zusammen“.

Hier durfte sich vor allem Alpay angesprochen fühlen, denn der türkische Nationalspieler holte sich in der 77. Minute eine längst fällige Gelb-Rote Karte ab, als er einen Moment so aussah, als wolle er Paul Freier zum Nachtisch verspeisen. Dennoch verabschiedeten die Kölner Fans, oder besser diejenigen, die doch da geblieben waren, den chronisch hypertonischen 32-Jährigen trotz des Platzverweises mit Applaus. Denn er hatte wenigstens gekämpft; hatte Courage gezeigt im Duell mit dem hochbegabten Bayer-Stürmer Dimitar Berbatov, der mit seinem Flachschuss in der 67. Minute die Schmach eingeleitet hatte. Die Art und Weise, die der Gegner dann die beiden restlichen Treffer durch Woronin (70.) und Krzynowek (83.) erzielte, ließ selbst die größten Optimisten verstummen. Die Kölner ergaben sich wehrlos in ihr Schicksal und hatten noch Glück, dass der Gegner sich an diesem Tage gnädig zeigte.

Die Entfesselung, die Latour herbeiführen sollte, ist deswegen so unwahrscheinlich, weil er bei dieser Mannschaft einfach zu viele Baustellen zu bearbeiten hat. Da ist zunächst die Formkrise des Lukas Podolski. Allein mit dem Jungstar in der Form der beiden letzten Spielzeiten, darüber sind sich alle einig, stünde der FC derzeit nicht auf einem Abstiegsplatz. Doch jetzt ist klar, dass der Kölner Angriff ohne die Tore Podolskis nicht erstligareif ist, auch die hoffnungsvollen Ansätze des eingekauften Marco Strellers täuschen darüber nicht hinweg. Im Mittelfeld fehlt es an einem Spielgestalter (hier tauchte der Neu-Kölner Cabanas, der gegen Dortmund noch 30 Minuten brilliert hatte, zuletzt völlig ab) und an einem sicheren defensiven Mann (am Samstag versuchte sich hier Dimitrois Grammozis erfolglos). Und das Abwehrzentrum aus den kurzfristigen Verpflichtungen Alpay und Zivkovic kann gar nicht eingespielt sein in wenigen Wochen. Auch wenn das Stadion brandneu ist und die Zuschauerzahlen explodiert sind: Vieles erinnert doch an jene Bundesligasaison 1997/98, in der dieser Klub erstmals abstieg und lange Zeit an den Kosten der teuren Profis zu knabbern hatte. Wie soll dat nur wigger jon, 1. FC Köln?