SUSANNE LANG über DIE ANDEREN
: Herr Sapina, wir müssen reden!

Wie wird aus der Fußball-WM in Deutschland ein Geschäft? Das weiß nur er: Milan Sapina, Wettmeister im Café King

Langsam fühlte auch ich die Panik. Nur noch drei Monate! Wer jetzt keinen Businessplan zur Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land (!) hat, wird es immer bereuen. Letzte Woche ist das letzte Alarmsignal eingestiegen: Verona Pooth. Die tüchtige Geschäftsfrau verpasste Maskottchen Goleo ein Vokuhila-Redesign. Leidenschaft? Ach so sexy muskulöse Männerkörper? Alles Quatsch. Frauen interessieren sich aus drei Gründen für Fußball: Reichtum. Schnelles Glück. Berühmtheit. Ich überlegte.

Spielergattin? Ob das anstrengend wäre? Politisch korrekterweise verurteile ich Scheinehen aus materiellen Gründen. Feministisch gesehen sowieso. Offensichtlich blieb nur eine Lösung: Nachhilfe bei Deutschlands berühmtestem Wettmeister. Milan Sapina, Besitzer des Café King im traditionell korrekt korrupten Berliner Westen. Milan, der ältere der beiden Sapina-Brüder, die mit Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer bis vor gut einem Jahr einen sicheren und legendären Falschpfeifdeal hatten. Ich nahm ein Taxi. An einem Samstagnachmittag. Bundesligazeit. Nach wie vor Wettzeit. 17 Uhr, High-End-Phase. Nur um sicherzugehen, weil man ja nie wissen kann, kroatische Mafia, was man so lesen musste …, ließ ich mich von einem Mann begleiten.

Eine orangefarbene Leuchtschrift empfing uns: ein schmales CAFÉ und ein fettes KING, über dem eine gelbe Leuchtkrone protzte. Ich fühlte mich sofort und gut aufgehoben. Innen ließen sich Pärchen bei Café Latte von lautstarker Kultmix-Pop-Musik zudröhnen. Unterhalten auf eigene Gefahr. Wir dockten am Tresen an. Eine der zierlichen Kellnerinnen war gleich bei uns. „Wir hätten gerne Milan Sapina gesprochen!“ Sie runzelte die Stirn. Worum es gehe, wer wir seien, was wir schon wieder wollten. Seit dem Wettskandal gehen hier auch Medienmenschen ein und aus. Das King ist jetzt berühmt. „Haben Sie eine Karte?“, fragte die Kellnerin. Wir zückten sie beide. „Die von Frau ist besser,“ sagte sie während sie meine auf ihr Tablett legte. „Frauen sind nicht so hinterhältig.“ Sie lachte, etwas undurchsichtig, und verschwand im hinteren Bereich des Cafés.

Zehn Minuten später saß ich ihm gegenüber: Milan Sapina, 40 Jahre, aus der Nähe von Sofia. Mit neun Jahren kam er nach Deutschland. Mit den Eltern. Sein glattes, gut gebräuntes und ebenso gut rasiertes Gesicht blickte uns neugierig an. „Was wollt ihr? Ich geb einen aus.“ Er winkte der Kellnerin, die sofort bei ihm war. „Hm, ich nehme ein Pils,“ sagte ich, „ein kleines.“ Im festen Glauben, dass Fußball auch Bier bedeutet. „Wie, Sie trinken bei der Arbeit?!“, fragte die Kellnerin und blickte mich streng an. Aber ein Sapina-Wink, und die Bestellung ging klar. Plötzlich verstand ich sie: Kroatische Frauen überleben nur im Hinterhalt.

„Na, wie lief der Bundesligatag?“, fragte ich zur Überbrückung. Er grinste, etwas geschmerzt. Na ja. Die Hertha mal wieder. Nicht verloren. Aber unentschieden. Dabei hätte er doch ausnahmsweise gedacht, es lohne sich mal wieder. „Und Poldi …?“, versuchte ich es weiter. „Ach, der!“ Okay.

„Herr Sapina,“ sagte ich, mit einem sehr unwissenden, hilfsbedürftigen Blick, „auf wen soll ich bei der Weltmeisterschaft wetten? Ich will dick einsteigen!“ „Na ja, so einfach kann man das nicht sagen. Das kommt auf die Quote an, ob sie gut ist.“ Beim Wetten brauche man Glück, es sei wie an der Börse, ein wenig Ahnung und sehr viel Risiko. „Aber die Quote, die verändert sich doch, je nach dem, wie viele auf eine Mannschaft tippen?“ – „Sie haben noch nie gewettet, oder?“, fragte er zurück. Und grinste. Ich nahm allen Mut zusammen. „Naja, stimmt. Aber würden Sie mit mir wetten, hier im King, damit ich es lerne?“ Er lachte. „Kann man machen. Müssen Sie aber Geld mitbringen.“ Na, bitte. Der Businessplan stand.

Zum Abschied drückte er uns beiden eine Café-King-Postkarte in die Hand, eine King-Streichholzschachtel und ein King-Schlüsselanhänger. Das King ist jetzt ja berühmt. Der Marketingplan steht auch. Und wenn alles schief läuft, würde ich im Juni hier den Nationalspieler meiner Wahl zum Anheiraten finden. Ganz sicher.