nebensachen aus santo domingo
: Teufelsaustreibung zum Karneval oder Wer nicht gesündigt hat, dem tut es auch nicht weh

„Tanz auf den Straßen“: Der Karnevalsgassenhauer des dominikanischen Musikers Luís Díaz dröhnt aus den zwei Meter hohen Lautsprechern. 30 Grad zeigt das Thermometer in La Vega, der drittgrößten Stadt der Dominikanischen Republik. Alles wartet darauf, dass die Diablos Cojuelos, die „hinkenden Teufel“ endlich ihre „Höhlen“ verlassen. Aber sie lassen auf sich warten.

Während sich die Musik zu einem dramatischen Stakkato steigert, hüllt Kunstnebel die kleine Stichstraße ein, aus der plötzlich maskierte Gestalten auftauchen. Sie schwingen mit Stoff überzogene, hart aufgeblasene Ballons aus Schlauchgummi. Wie Peitschen lassen die Akteure ihre Vajigas mit lauten Anfeuerungsrufen auf die Hintern und Oberschenkel der Passanten prasseln: „Gib’s ihnen“. Junge Mädchen versuchen sich kreischend in Türeingängen vor den nicht gerade zimperlichen Hieben der teuflischen Schläger zu retten.

Wer in La Vega bei einer der über 100 Gruppen teilnehmen und sich entsprechend verkleiden will, muss tief in die Tasche greifen. Zwischen 500 bis 1.000 Euro bei einem durchschnittlichen Monatslohn von etwa 150 Euro kosten das aufwändig mit Pailletten und kleinen Glöckchen besetzte Kostüm und die aus Pappmaché bestehende überdimensionale Maske. „Ein Teufel verkleidet sich niemals mehrmals mit demselben Kostüm“, erklärt Geschichtslehrer Francisco Torres Petitón. „Erst am letzten Tag des Karnevals, am Unabhängigkeitstag, der am 27. Februar gefeiert wird, zeigt der Teufel sein wahres Gesicht. Dann nehmen wir unsere Masken ab.“

Die Verkleidung der hinkenden Teufel besteht aus einer Pluderhose, einem Überrock, einem Hemd und einem fledermausartigen Umhang mit Kapuze, die an der Maske befestigt wird. Ein Kostüm wiegt knapp zehn Kilo. „Ein schweißtreibendes Vergnügen“, sagt Mayra Concepción, Sprecherin des Organisationskomitees „Carneval Vegano“. Jeder Akteur trinkt durchschnittlich zwei Liter mit Zuckermelasse versetztes Wasser, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. „Und den einen oder anderen Schluck Rum“, weiß Concepción.

Zwischen den zahlreichen Besuchern, die sich jeden Februarsonntag durch La Vega drängen, rennen die hinkenden Teufel auf der Suche nach Opfern, um ihnen mit aufgeblasenen Ballons und unter heftigen Beschimpfungen richtig eins überzuziehen, „den Teufel auszutreiben“. Das Kreischen der „Opfer“ mischt sich mit dem Gelächter derjenigen, die die Macht über den Ballon noch nicht zu spüren bekommen haben. Für zart Besaitete hat Concepción einen Rat: „Ganz Ängstliche können sich den Hosenboden mit Zeitungspapier polstern.“

Wer die Hiebe der Schlaginstrumente erträgt, zeigt seiner Angebeteten, dass er die Funktion des Beschützers ausfüllen kann, dass er mutig ist. „Und wer das ganze Jahr über nicht gesündigt hat“, versichert Concepción, „der spürt keinen Schmerz.“ Vermutlich tut es deshalb allen weh.

HANS-ULRICH DILLMANN