Unermüdlicher Brückenbauer

NACHRUF Robert Weiß, Vorsitzender des Landesvereins der Sinti in Hamburg, ist gestorben. Er kämpfte für ein Leben jenseits von Anpassung und Ausgrenzung

„Unser Ziel heißt: Respekt!“ So heißt eine Broschüre, deren Herausgabe Robert Weiß noch mit letzten Kräften begleitete und vorantrieb. Am Abend des 11. Juli ist der Vorsitzende des Landesvereins der Sinti in Hamburg nun seiner schweren Krankheit erlegen. Mit aller Kraft hatte er gegen den Krebs gekämpft und dabei nie seinen politischen Kampf um die Anerkennung der Sinti als deutsche kulturelle Minderheit aufgegeben.

Geboren ist er vor 60 Jahren als Sohn und Enkel von Holocaust-Überlebenden, aufgewachsen unter den Hamburg-Harburger Sinti, die nach 1945 in ihre Heimatstadt zurückgekehrt waren. Von dort hatte man sie ab 1940 zunächst nach Belzec deportiert, danach durch etliche Lager verschleppt. Wer nicht an Hunger, Kälte, Strapazen und Seuchen oder in Auschwitz in den Gaskammern gestorben war, wurde aus dem KZ befreit.

Es wurde in den Familien nicht viel darüber gesprochen, aber das Schweigen war beredt. Und die ständigen Ermahnungen: nehmt euch in Acht, die Gadze (Nicht-Sinti) wollen euch nichts Gutes. Stigmatisierung und Ausgrenzung der Sinti hatten mit dem Ende des Faschismus nicht aufgehört. Ehemalige „Rassenforscher“ waren als Gutachter in Entschädigungsprozessen wieder in Amt und Würden und deutsche Gerichte entschieden, die Sinti und Roma seien nicht aus rassistischen, sondern aus Gründen der „Kriminalprävention“ verschleppt und ermordet worden.

Robert Weiß gehörte zu denen, die versuchten, dem Stigma durch Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft zu entkommen. Als Dachdecker eröffnete er einen Betrieb im Hamburger Umland und erhielt von der Handwerkskammer die Gleichstellung mit einem Meister. Der Betrieb lief – bis im Fernsehen die Dokumentation „Djangos Erben“ gezeigt und die Hamburger Musiker-Familie Weiß vorgestellt wurde. In der gleichen Zeit warben Plakate in der Gegend für ein Konzert des Café Royal Salonorchester, ebenfalls mit Musikern der Familie Weiß. Fragen über Fragen von Nachbarn und Kunden. Am Ende das Bekenntnis: Ja, wir gehören dazu. Danach blieben die Aufträge und Einladungen zum nachbarschaftlichen Grillen aus.

Seitdem war Robert Weiß Aktivist der Bürgerrechtsbewegung Deutscher Sinti und Roma. Der Landesverein sollte ihr Sprachrohr sein. Die HamburgerInnen sollen wissen, dass die Sinti seit 600 Jahren in dieser Stadt leben, dass sie zu dieser Stadt gehören. Die Beratungsstelle für Sinti und Roma in Wilhelmsburg soll dafür sorgen, dass sie sich nicht mehr hilflos Ämtern und Institutionen ausgeliefert fühlen, sondern Unterstützung finden. Und eine Lebensperspektive entwickeln können, die sie nicht mehr vor die Alternative Anpassung oder Ausgrenzung stellt.

Noch in seinem letzten Lebensjahr hat Robert Weiß als Brückenbauer in die Mehrheitsgesellschaft gewirkt. Auf dem langen Weg zur Gleichberechtigung wird er fehlen. Seine Aufrichtigkeit, sein leidenschaftlicher Einsatz, sein Humor und seine tiefe Menschlichkeit haben viele Menschen beeindruckt und bleiben seiner Familie, dem Landesverein, seinen FreundInnen und vielen, die ihm begegnet sind, in Erinnerung.CORNELIA KERTH, Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Sinti und Roma in Wilhelmsburg