Theater des Terrors, Reihe eins

GEORGE GITTOES Der australische Regisseur dokumentiert in seiner Trilogie „No Exit“ den War on Terror und versucht das Genre des Dokumentarfilms zu retten

Schwarzer Rauch steigt auf über den Dächern von Islamabad. Bewaffnete Taliban stehen um Scheiterhaufen herum. Ein Zoom auf den Boden. Flammen fressen die bunten Covers mit den Fotos von Popsternchen und Filmstars. „Überall um mich herum verbrennen sie CDs mit Filmen und Musik“, sagt der Regisseur. Er zieht eine brennende Plastikhülle hoch und hält sie vor die Kamera. Sofort bedrohen ihn zwei Taliban mit ihren Gewehren. Die Situation ist brenzlig.

Der Anfang seines 2008 produzierten Films, „The Miscreants of Taliwood“, ist symptomatisch für das Schaffen von George Gittoes. Seit 20 Jahren hält sich der Australier an sämtlichen weltpolitischen Pulverfässern auf. Kongo und Ruanda, Libanon und Irak; Afghanistan, Pakistan. Im Grenzgebiet der letztgenannten wurde „The Miscreants“ größtenteils gedreht, ein ebenso komisches wie verstörendes Crossover aus Sozialdoku, Kriegsreportage und Spielfilm.

Es geht um das Medium Film, genauer gesagt um die Filmstadt Peschawar im Spiegel der Zeit. Einst war sie das Zentrum der Bollywood-beeinflussten paschtunischen Filmindustrie mit knalligen Liebesdramas und dauerballernden Bösewichtern (‚miscreants‘).

Jagd auf DVD-Händler

Heute ist Peschawar eine der Hochburgen der Taliban. DVD-Händler werden mit dem Tod bedroht, ihre Läden in die Luft gejagt, Schauspieler verfolgt. Gittoes sprengt kurzerhand alle Genregrenzen und lässt sich für den letzten Streifen des paschtunischen Actionhelden Javed Musazai casten. Schließlich finanziert er einen weiteren Film selbst, der hoch oben in den Bergen gedreht wird – dort, wo sich der Legende nach Ussama Bin Laden versteckt halten soll.

Der Bruch der starren Regeln des Dokumentarfilms ist bei Gittoes Prinzip. Wenn sein Genre überleben wolle, so glaubt er, müsse es von Big Brother lernen. Auch der popkulturelle Bezug findet sich in vielen seiner Filme wider. Mehr denn je zeigt sich dies in der Trilogie „No Exit“, zu der „Miscreants“ gehört und die anhand künstlerischer Kategorien den War on Terror dokumentiert. In „Soundtrack to War“ (2004) erzählen US-Soldaten in Bagdad über die Musik, die sie während ihrer Einsätze hören. Wenn Metal und Gospel je eine Schnittstelle hatten, dann in US-amerikanischen Panzern in der irakischen Hauptstadt. Von hier aus wechselt Gittoes an die Heimatfront: In „Rampage“ (2006) besucht er einen Rapper, den er in Bagdad kennenlernte, bei seiner Familie in Brown Sub, dem verrufensten Ghetto Miamis. Laut Gittoes ist Brown Sub gefährlicher als Bagdad. Der Film widerspricht ihm nicht.

„The Miscreants“ jedoch übertrifft all dies. Gittoes über die Dreharbeiten: „Es war ein Theater des Terrors, und ich saß in der ersten Reihe.“

TOBIAS MÜLLER

Die ufa-Fabrik zeigt am 14. März „The Miscreants of Taliwood“. Eine Woche später laufen „Rampage“ und „Soundtrack to War“, beide in Anwesenheit des Regisseurs