Grundgesetz des Laberns

ROLLENDES R „loslabern“ von Goetz als Hörspiel

Die Hörspielfassung von „loslabern“ ist der Versuch, in der Konfrontation mit einem Aufnahmestudio andere, „räumliche“ Zugänge zum bereits veröffentlichten Text zu bekommen. Goetz spricht selbst. Es gibt keine Musik oder andere Klangeffekte, aber bevor seine Stimme zu sprechen anhebt, ist hektisches Stiftkritzeln zu hören. Goetz beschränkt sich auf längere Ausschnitte und hält sich an die Reihenfolge im Buch.

Erst allmählich wird seine Stimme fester, betont beim Sprechen die Textunmittelbarkeit. Goetz spricht mit bayerischem Idiom, seine Rrrrs rollen. Er will, sagt er, zurück zu den Anfängen, „in die achternbuschischen Urgründe der Textmotorik“. Sonor, nicht durchdringend, ist seine Stimme, eher versachlichend, wie die Sprecher in alten, trocken produzierten Hörspielen.

Lustige Irritation: Beim Wort „loslabern“ ist die Stimme extrem verlangsamt, als würde ein Geist den Denkprozess unterbrechen. Eine Art Sprachzeitlupe von „loslabern“. Sie wird mehrmals eingeblendet, interveniert „sofortistisch hochfahrende Darlegungen über das LOSLABERN“. Ein Sprechakt sei, so Goetz, eine moralische Handlung. Vielleicht gerade deswegen nimmt die Stimme keinen salbungsvollen Ton an, sondern zitiert aus einem „Grundgesetz“: „Du sollst nicht missachten das Gesagte deines Gegenübers.“

Goetz ist nun sicher im Text, hat seinen Rhythmus gefunden, redet über den Wahnsinn, „den Takt und die Tugenden der Geselligkeit als Basis für ein richtiges Schreiben zu preisen“ und gleichzeitig über „DAS LOSLABERN“ das einfach so Dahergelaberte darzustellen. Er spricht ruhig, auch wenn der Text wilder wird, die Gestalt des „Klagor“ auftaucht, dieser zu „Bösor“ und „Höllor“ wird und hochfährt „bis über Teufelsbrück hinaus“.

Insgesamt besteht die Hörspielfassung aus 5 Takes, der Längste ist 44 Minuten. Es ist die Beschreibung von Ereignissen einiger Stunden des 25. November 2008. Der dokumentarische Charakter wird jäh durch die Erzählperspektive gebrochen: Ein Text-Ich denkt über die Stimmung beim Herbstempfang der FAZ in Berlin nach. Mit ruhiger Stimme erzählt Goetz, wie er abwechselnd ergriffen und geschockt ist, Kulturschaffende, Journalisten und Machthaber aus der Nähe zu sehen. „Berthold Kohler, wer bist du, was machst du?“ Noch mehr als bei der Lektüre merkt man beim Hören, wie der Text, losgelöst vom Inhalt, formales Eigenleben annimmt. Wie Dokumentarisches zur Fiktion wird. JULIAN WEBER

■ Rainald Goetz: „loslabern“. Ursendung heute Abend, BR 2, 20.30 Uhr. Auch im Stream unter www.br-online.de/bayern2/hoerspiel-und-medienkunst. Oder als CD bei Intermedium Records