Oscar für Klatschmarsch

In typisch Bochumer Premieren-Tradition: Aluglatt, harmlos nett und natürlich umjubelt. Armin Holz inszeniert am Schauspielhaus Oscar Wildes selten gespielte Sittenkomödie „Ein idealer Gatte“

AUS BOCHUMPETER ORTMANN

Drei Stunden Dekadenz sind einfach ein bisschen viel. Auch wenn der Autor Oscar Wilde heißt und der politische Teil des Londoner Sittenbildes von 1899 wie ein Korsett auf die heutigen Parlaments-Entscheidungsträger passt. Der kulturelle Niedergang mit typischen Entartungserscheinungen in den Ansprüchen (siehe Wikipedia) hat auch das Bochumer Theater erreicht. Mit Hartmann‘ schen Marketing-Mechanismen sucht die Leitung wohl dort den Fall in die nord-rhein-westfälische Provinzialität zumindest auslastungsmäßig schleimweich abzufedern.

Nur so ist zu erklären, dass ein zu Recht selten gespieltes Stück wie „Der ideale Gatte“ überhaupt auf den Spielplan kommt und mit Jeanette Hain und Sebastian Koch gleich zwei TV Serien-HeldInnen (sagt man) bei der Armin Holz-Inszenierung auf die Bretter im großen Haus gelobt werden. Eigentlich sollte mit dieser, zwar Sitzplatz füllenden, aber Ensemble-feindlichen Sitte in der ehemaligen Theater-Hochburg wieder gebrochen werden. Nun ja, wenn das hilft, gemeinsam mit dem VfL Bochum wieder in eine Bundesliga aufzusteigen, dann wäre dagegen nichts einzuwenden. Doch die beiden Einkäufe hatten nicht gerade einen spektakulären Einstand, wie gedacht. Koch, der seit zwölf Jahren wieder auf einer Theaterbühne steht, gab den Lord Goring (bei Oscar Wilde der einzig „Normale“ unter Idioten) anfangs mit einer Mischung aus Ulrich Wildgruber (R.I.P.) und Fritz Schediwy. Später durfte er die Figur dann entspannter und eigener formulieren. Warum es für ihn keine Entsprechung im neuen Bochumer Ensemble gab, weiß nur Haus-Regisseur Holz – so spielentscheidend war Koch im Abstiegskampf des Theaters eigentlich nicht.

Das dümmliche Spiel um Sir Robert Chiltern (ziemlich blass: Markus Boysen), den strahlenden Mittelpunkt der Gesellschaft, den glänzenden Karrieristen auf dem damaligen politischen Parkett, der seine Laufbahn allerdings mit einem Insidergeschäft vaseliniert hat und nun von der bösen Mrs. Cheveley erpresst wird. Helfen wird ihm der pseudo-schlaffe Lord Goring, bis am Ende wieder Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Seine Gattin Lady Chiltern (Imogen Kogge auf den Spuren von Urgestein Tana Schanzara) kriegt wie alle dummen Frauen der Welt (gibt es andere, Herr Wilde?) noch schnell ihr Fett weg. Am Schluss fahren Robert Chilterns Schwester Mabel und ein geläuterter Goring in die Hölle unter der Bühne, alles schön niedlich clean – versteht sich.

Was macht ein Regisseur 2006 nach Christus mit so einem Blödsinn, den mancher immer noch Sittenkomödie nennt? Er übersetzt das Stück erst einmal selbst. Dann macht er sich ein schön designtes Bühnenbild (unter Mitarbeit von Heike van Bentum) und sucht sich seine Hauptrollen aus (siehe oben). Schließlich geht es ja um Kunst und natürlich um „The Importance of Being Earnest“. Also spielt das Stück vom Sohn eines irischen Ohrenchirurgen vor einer polierten, alumatten Non-Location-Kulisse, mit schönen Kostümen (Esther Walz) und gelungener Licht-Regie. Das einzige, was von diesem Abend im Gedächtnis haften bleiben wird, ist die überzeugende Choreografie der Schauspieler. Wie bei einem mechanischen Kinderspiel des letzten Jahrhundert ziehen sie ihre vom Regisseur vorbestimmten Bahnen auf der Bühne. Das ist im realen Leben ebenso. Nur das es dort jetzt eine Frau ist, Herr Wilde.

Sa, 19:30 Uhr, Schauspielhaus BochumInfos: 0234-33335555