Bezirke sollen Flagge zeigen

ASYL Der Chef des Landesamts für Soziales fordert Solidarität, um berlinweit Flüchtlinge unterzubringen. Gespräche im Kreuzberger Flüchtlingscamp drohen zu scheitern

Ein neues Gespräch sei „weder zielführend noch angebracht“, so das Innenministerium

VON KONRAD LITSCHKO

In Bezug auf die Unterbringung von Flüchtlingen richtet der zuständige Präsident des Amtes für Gesundheit und Soziales, Franz Allert, einen deutlichen Appell an die Bezirke. Ihm fehle das Verständnis für die Verweigerungshaltung einiger, sagte er der taz: „Das ist eine gemeinsame Aufgabe Berlins.“ Die Bezirke sollten sich dazu bekennen und nicht das Land vorschieben.

Bis Ende Mai nahm Berlin dieses Jahr 1.883 Asylsuchende auf – so viele wie lange nicht. Bei der Unterbringung aber zieren sich einige Bezirke immer wieder. Zuletzt machten auf einer Informationsveranstaltung in Hellersdorf auch Bürger massiv Stimmung gegen eine Notunterkunft. Allert kritisierte scharf, dass dort anwesende Politiker nicht widersprachen. „Warum haben sie nicht deutlich gemacht, dass sie die Notwendigkeit sehen, diese Menschen hier aufzunehmen?“

Die Linken-Politikerin Petra Pau, die vor Ort war, verwies auf Parteikollegen, die Stellung bezogen hätten. Sie selbst habe bereits im Voraus auf Neonazis hingewiesen. Der Hellersdorfer SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier sagte, er sei unsicher gewesen, wie zu reagieren sei. Es habe die Ansage gegeben, keine politischen Äußerungen zu tätigen.

Trotz der Proteste wollen Land und Bezirk an dem Standort in einer leerstehenden Schule festhalten. Allert kündigte aber an, keinen Termin mehr für den Einzug der Flüchtlinge zu nennen. Ursprünglich sollte das Heim bis Monatsende eröffnen. Die Flüchtlinge würden nun schrittweise die Schule beziehen, sagte Allert – „nicht gleich 100 Leute am ersten Tag“.

Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) will Anwohner nur noch in nichtöffentlichen Veranstaltungen informieren. Er lobte die vielen Hilfsangebote, die zuletzt eingegangen seien. „Sie reichen von der Lernhilfe für Asylantenkinder bis zu Hilfsaktionen der Alice Salomon Hochschule.“ Gleichzeitig weigerte sich Komoß, die Anwohner „in die rechte Ecke zu stellen“.

Unterdessen droht ein Treffen der seit Monaten auf dem Kreuzberger Oranienplatz protestierenden Flüchtlinge mit Bundespolitikern zu scheitern. Die Asylbewerber hatten das Gespräch vor anderthalb Wochen mit einer Straßenblockade eingefordert. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) hatte darauf Berliner Senatoren und Bundespolitiker zu einem Treffen am Donnerstag eingeladen. Bisher gab es dafür aber fast nur Absagen.

So heißt es etwa in der Antwort des Bundesinnenministeriums an Schulz, die Asylverfahren des Bundesamtes für Migration enthielten „weder ein politisches noch ein sonstiges Ermessen“. „Daher können die getroffenen Entscheidungen auch nicht Gegenstand von Gesprächen sein.“ Zudem hätten die Flüchtlinge schon im November im Innenausschuss des Bundestages vorgesprochen. Ein erneutes Gespräch sei weder „angebracht noch zielführend“.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) ließ ausrichten, er nehme an keinen Gesprächen teil, „die sich in rechtswidrigen Zuständen bewegen“. Absagen gab es zudem von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), der Bundesmigrationsbeauftragten Maria Böhmer (CDU), dem CDU-Fraktionschef im Bundestag, Volker Kauder, und Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD). Letztere will aber eine Vertretung aus dem Büro ihrer Integrationsbeauftragten schicken. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte zu.

Ein Flüchtling aus dem Camp sagte, ihnen sei versprochen worden, dass sich für Asylpolitik Verantwortliche an der Runde beteiligen. „Davon gehen wir weiter aus.“ Ende das Gespräch ergebnislos, werde man den Protest verschärfen. „Wir haben gar keine andere Wahl.“

Interview SEITE 23