Vogelfreunde schlafen gut

Trotz Vogelgrippe-Furcht bleiben Übergriffe auf Federvieh und seine Beschützer aus. Angst haben Ornithologen nur davor, dass die Situation genutzt wird, um dem Kormoran den Garaus zu machen

von Eiken Bruhn

Noch ist es nur ein Internet-Spiel: Auf einer privaten Homepage kann man grippegeplagtes Federvieh abschießen. Wenn eine kranke Gans – zu erkennen am grün verfärbten Gesicht – entkommt oder auf ein gesundes, am Boden herumhopsendes Huhn fällt, gibt das Punktabzug. Und im Herbst, als erstmals wegen der Vogelgrippe eine Stallpflicht für Geflügel verhängt worden war, hatten Vogelliebhaber Horroszenarien entworfen, nach denen in Panik geratene Menschen Vögel töten: „Im Gesamten Bundesgebiet kommt es zu Vernichtungsaktionen von Parkvögeln. Teilweise werden durch die Bevölkerung regelrechte Hetzjagden auf alle Vögel veranstaltet.“ Doch jetzt, wo tatsächlich ein paar unserer gefiederten Freunde erkrankt und gestorben sind, ist von einer derartigen Stimmung nichts zu spüren, sagen übereinstimmend Hobby- und Berufsornithologen.

„Hier ist alles ruhig, weder die Inselbewohner noch die Karnevalsflüchtlinge sind in Panik geraten“, sagt Martin Schulze Dieckhoff vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz in Norden. Dieckhoff koordiniert den Einsatz von Zivildienstleistenden und Naturschutzwarten an der niedersächsischen Küste, welche Vögel zählen und alle zwei Wochen den Spülsaum nach totem Federvieh kontrollieren. Bisher habe noch kein Zivi aus Angst vor einer Ansteckung um Versetzung gebeten, sie würden ihren Dienst im Rahmen der normalen Hygienemaßnahmen verrichten. „Schutzkleidung schreiben wir nicht vor, aber es soll kein toter Vogel angefasst werden“, sagt Dieckhoff.

Gelassen ist auch Ingo Ludwichowski, Ornithologe und Sprecher des Naturschutzbundes (NABU) in Schleswig-Holstein, wo vergangene Woche Enten mit dem hoch ansteckenden H5N1-Virus gefunden worden waren. Zwar würde „kräftig das Bild verbreitet“, dass von Wildvögeln eine Gefahr ausginge und Entenfüttern sei wohl nicht mehr „jedermanns Hobby“, aber Vögel seien derzeit noch kein Hassobjekt. „Es besteht aber die Gefahr, dass die Vogelgrippe dazu benutzt wird, um Jagd auf einige Arten machen zu dürfen“, sagt Ludwichowski. Wenn Kormorane, die in Schleswig-Holstein ohnehin schon in der Schusslinie stehen, erkranken sollten, würde das wahrscheinlich von interessierter Seite ausgenutzt werden.

Ansonsten schlafen Ornithologen derzeit ruhig, eine Angst um ihre kleinen gefiederten Lieblinge treibt sie nicht um. „Das wird nie so eine Riesensache werden“, glaubt Ulrich Appel, der seit 50 Jahren mit dem Vogel-Virus infiziert ist und seit 25 Jahren bei Vogelzählungen hilft. „Im Winter gehen immer ein paar Vögel drauf“, sagt er.

Auch Ingo Ludwichowski gibt Entwarnung. „Für Wildvögel wird das ein lokales Ereignis bleiben.“ Dafür spräche, dass es noch zu keinen großen Sterbewellen gekommen sei. Selbst die Höckerschwäne, die „gleich umkippen“, würden sich wieder erholen, glaubt er. „Denken Sie an die Seehundstaupe in der Nordsee, die hat 80 Prozent hinweg gerafft und zehn Jahre später hat sich der Bestand erholt.“