Das Leiden der Fossilen

ENERGIE Stromversorger klagen, dass sich ihre konventionellen Kraftwerke wegen der Erneuerbaren nicht mehr rechnen – und wollen sie vermehrt vom Netz nehmen. Das gilt allerdings nicht für Atommeiler

BERLIN taz | Die deutschen Energieversorger wollen zahlreiche Kraftwerke stilllegen, deren Einsatz sich nicht mehr lohnt. Die Süddeutsche Zeitung hatte von 20 Prozent der Kapazität in Deutschland berichtet. Dies ließ sich am Dienstag allerdings nicht verifizieren. Derzeit liegen der Bundesnetzagentur 15 entsprechende Anträge vor. Betreiber müssen die Behörde ein Jahr bevor sie ein Kraftwerk abschalten wollen, informieren. Sollte es für die Stabilität der Stromversorgung unabdingbar sein, können die Betreiber dazu verpflichtet werden, das Kraftwerk weiterzubetreiben – die Kosten dafür werden auf die Stromkunden umgelegt.

Bisher wird die Regelung noch nicht angewandt. Das könnte sich nun ändern: „Eine Stilllegung von Kraftwerken im südlichen Deutschland gefährdet die Systemsicherheit und kann deshalb nicht hingenommen werden“, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. Dies sei erst möglich, wenn genug neue Stromtrassen gebaut sind. Der Stromkonzern EnBW hatte Anfang Juli angekündigt, vier fossile Kraftwerke mit 668 Megawatt Leistung vom Netz zu nehmen. Das müsste also am Veto der Bundesnetzagentur scheitern.

Extrem unwahrscheinlich ist, dass Atomkraftwerke früher als geplant vom Netz gehen. Das dementierten die Energiekonzerne EnBW, Eon und RWE. Der Grund ist einfach: Betriebswirtschaftlich gerechnet erzeugen die längst bezahlten AKW für die Betreiber den billigsten Strom überhaupt. Dennoch teilte Eon am Dienstag mit: „Vor dem Hintergrund der niedrigen Großhandelspreise und der hohen Belastung durch die Kernbrennstoffsteuer beobachten wir selbstverständlich auch die Wirtschaftlichkeit unserer Kernkraftwerke.“ Eon hatte bereits im Frühjahr angekündigt, europaweit Kraftwerke mit einer Leistung von 11 Gigawatt bis 2015 abzuschalten. Sicherlich nicht nur wegen des Ausbaus der Erneuerbaren: Aufgrund der Wirtschaftskrise in Südeuropa sinkt dort die Nachfrage rapide. INGO ARZT