aus der mensa: mühsame fernsehoperation von HARALD KELLER
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Ächzend lässt sich Geierschnabel auf die Eckbank fallen, froh, sein Tablett unbeschadet bis ans Ziel balanciert zu haben. In den Pulks unkoordiniert stolpernder Jungstudenten schwebt man ständig in Gefahr, dass einem tollpatschige Rucksackträger oder armrudernde Grobmotoriker das Geschirr vom Brett fegen. Erschwerend kommt hinzu, dass Geierschnabel von akutem Hustenreiz geplagt wird. Knapp hinter der Kasse brach es aus ihm heraus, und als Folge des Bemühens, den Mund mit der Hand zu bedecken, hätte die Malzbierflasche beinahe die Enden der Parabel erkundet.

Den Übrigen ergeht es nicht besser. Ein Schniefen hier, ein heiseres Räuspern dort. Hanni kramt nach einem Taschentuch und führt aufgebracht Klage, dass das Wetter mit vorgetäuschten Tatsachen lockt. Denn die Sonne strahlt gleißend vom weiß beflockten Himmel, doch tritt man vor die Tür, beißt einem der Frost die Nase aus dem Gesicht. „Wohl wahr“, pflichtet Geierschnabel rasselnd bei. „Selbst die Krokanten sind drauf reingefallen und strecken bereits vorwitzig ihre Köpfchen aus der Erde.“

„Du meinst Krokusse. Die Mehrzahl von Krokus heißt Krokusse“, korrigiert Klumpe ernst. „Irrtum!“, weiß Geierschnabel. „Es heißt doch auch Globen und nicht Globusse.“ Klumpes Blut steigt, sein Kopf ist schon hochrot, und eben will ihm eine scharfe Entgegnung von der Zunge hüpfen, als er die feixenden Gesichter von Droll und Strunk bemerkt. Die Mundwinkel verächtlich geschürzt, nimmt er einen Löffel von seiner vegetarischen Reispfanne und schluckt den unappetitlichen Brei mitsamt seiner Antwort herunter.

„Was macht dein Fernseher?“, will Droll von Notthoff wissen. „Läuft wieder“, meldet der wortkarge Emsländer knapp. So einfach kommt er nicht davon. Die Runde will einen ausgiebigen Bericht, hatte Notthoff doch am Vortage angekündigt, den wandernden Bildstrich seines Empfangsgeräts in Eigenarbeit korrigieren zu wollen. „Eine Sache von zehn Minuten“, hatte sein zeitlicher Voranschlag gelautet.

„Jaoh, ähjeh, es hat dann doch wohl ein bisschen länger gedauert“, ziert er sich, muss jetzt aber erst recht heraus mit der Sprache. Das Abnehmen der rückwärtigen Abdeckung sei gar kein Problem gewesen, rekapituliert er zögerlich. Dort fanden sich auch wie erhofft mehrere Regler zur Bildeinstellung. Nur war deren Funktion dummerweise nicht gekennzeichnet. Da er nun schon so weit gekommen war, machte sich Notthoff ans Ausprobieren, drehte an den Knöpfen, umrundete den Apparat, besah sich das Ergebnis – und hatte am Ende alles heillos verstellt. Um zum Ausgangszustand zurückzufinden, wechselte er an den Computer, lud sich ein Testbild aus dem Internet, brannte es auf CD, legte diese in den DVD-Player. Dann hob er einen schweren Spiegel von der Wand, wuchtete ihn mühsam und umständlich vor den Fernseher, um während des Regulierens das Bild im Auge behalten zu können. So kam es, dass der kleine zehnminütige Eingriff letztlich den ganzen Tag in Anspruch nahm.

„Aber am Ende war alles wieder tipptopp in Ordnung“, vermeldet er triumphierend. Welcher Nutzer technischer Geräte wüsste nicht um die Erleichterung, die in diesen Worten verborgen liegt?