„BERLINER ZEITUNG“: REDAKTIONSSTATUT SOLL SPARZWANG LOCKERN
: Statut gegen Abbau

Willkommen im Klub: Die Berliner Zeitung hat gestern ein Redaktionsstatut verabschiedet. Es soll die Rechte der RedakteurInnen gegenüber Chefredaktion und Verlag regeln – und die Qualität des Blattes langfristig sichern. Vorbild ist das Regelwerk der Süddeutschen Zeitung, auch bei Frankfurter Rundschau, taz, Mannheimer Morgen, Spiegel, Zeit und einigen anderen Blättern gibt es solche bei den Verlegern eher ungeliebten Statuten.

Redaktionsstatuten vermitteln ein gutes Gefühl, sind meist zarte Pflanzen – und immens wichtig. Sie garantieren und erhalten die publizistische Vielfalt im eigenen Blatt. Sie schützen vor möglichen Übergriffen des Verlages in redaktionelle Inhalte – zum Beispiel um Anzeigenkunden glücklich zu machen. Sie können diktatorischen Ambitionen der Redaktionsleitung zumindest vorbeugen. Und sie schaffen im Idealfall in der Redaktion so etwas wie innerbetriebliche Demokratie.

Nun handelt es sich in Berlin um einen Sonderfall: Denn das Statut ist Teil der Auseinandersetzung mit dem neuen Eigentümer des Berliner Verlags, also der internationalen Investorengruppe unter Führung des „Zeitungsfressers“ David Montgomery. Montgomery muss nach seinem Geschäftsmodell den gesamten Verlag zum radikalen Sparen zwingen – und hat noch niemandem erklären können, wie er das ohne heftige Abstriche bei Personal und bei der Qualität schaffen will.

Ob das Statut nun wirklich in Kraft tritt, also von Verlagsseite akzeptiert wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Natürlich wäre es günstiger gewesen, wenn sich die Redaktion bereits vor dem Verkauf zusammengerauft und zum Statut entschlossen hätte. Der ehemalige Eigentümer, der Pressekonzern Gruner + Jahr, gehörte sogar zu den Statuten-freundlicheren Betrieben im Lande. Doch auch jetzt hat das verspätete Statut die Latte für den Neuverleger Montgomery noch einmal höher gelegt. Allerdings gilt auch für ganz „frische“ Redaktionsstatuten: Sie müssen gelebt werden. Im ganz normalen Tagesgeschäft, nicht nur in Ausnahmesituationen wie jetzt bei der Berliner Zeitung. Sonst bliebt es beim guten Gefühl. STEFFEN GRIMBERG