Auf der Durchreise

Matias Aguayo ist ein Musiker, bei dem man eigentlich gar nicht anders kann, als ihn zu mögen, selbst wenn man ihm noch nie begegnet ist. Das hat irgendwie mit der Aufgeschlossenheit seiner Musik zu tun, die weniger die perfektionistische Haltung des Studiotüftlers als die freundliche Neugier eines rastlosen Weltreisenden kennzeichnet. Es sind Platten, die nach seinen Worten beim Tanzen entstanden sind – und nicht im Sitzen.

Der in Köln aufgewachsene Exilchilene hatte zu Beginn des Jahrhunderts im Duo mit Dirk Leyers unter dem Namen Closer Musik auf sich aufmerksam gemacht – das kurzlebige Projekt wurde schnell zu einer der bestimmenden Größen im Clubmusik-Kosmos des Kölner Labels Kompakt. Dann folgten zwei Solo-Alben, in denen der inzwischen nach Berlin umgezogene Aguayo erst mit unerklärlich lasziven Beats und anschließend mit wenig clubüblichen Stimmen-Experimenten überraschte. Stets waren seine Platten dabei Kollaborationsarbeiten mit anderen Künstlern.

Das gilt auch für Aguayos drittes Album unter eigenen Namen, „The Visitor“, das auf seinem eigenem Label Cómeme erschienen ist und das er an so illustren Orten wie Buenos Aires, Ciudad de México, Berlin oder Sternhagen Gut in der Uckermark gleich mit einer ganzen Reihe von Gastmusikern einspielte. Darunter finden sich Namen wie die ebenfalls in Berlin lebende venezolanische Sängerin Aérea Negrot, der frühere Frontmann der chilenischen Rockband Los Prisinieros Jorge González oder der kanadische Dub-Techno-Produzent Scott Monteith alias Deadbeat, der die Platte gemeinsam mit Matias Aguayo produzierte und das Album ebenfalls abmischte.

Herausgekommen sind eine Reihe von Stücken, die Aguayos stark körperliche Clubmusik mit lateinamerikanischen Elementen, aber auch einem gut Teil Psychedelik mischen. Die Reise Aguayos ist diesmal vielleicht mehr Trip als je zuvor, was selbst witzige Momente zulässt – im Eröffnungsstück „Rrrrr“ wird etwa dem schönen Zungenspitzen-R, das hierzulande längst nicht alle Menschen beherrschen, ausgiebig die Ehre erwiesen.

An mancher Stelle gibt sich „The Visitor“ fast unerbittlich und hart, mit heftig synkopiert hämmernden Rhythmen, die weit mehr als bloß die Freude am Tanzen zu transportieren scheinen. Hier und da jedoch klingt die Platte bei aller Direktheit seltsam unentschlossen. Vielleicht entfalten manche Ideen von Matias Aguayo ja erst auf der Bühne so richtig ihre Wirkung.

TIM CASPAR BOEHME

■ Matias Aguayo: „The Visitor“ (Cómeme/Kompakt), live am 21. Juli in der Else