Selbst die Opposition lobt Gabriel

Der Bundesumweltminister lieferte gestern seine 100-Tage-Bilanz ab. Sogar die Naturschützer sind angenehm überrascht: „Bisher hat Gabriel eine gute Figur gemacht“. Nun warten alle gespannt, ob er den Atomausstieg weiter absichern kann

„Bis zu 125.000 Hektar wollen wir in eine Naturschutz-Stiftung überführen“

VON NICK REIMER

Die Fußball-Weltmeisterschaft kann nun doch in Deutschland stattfinden. „Uns ist es gelungen, die Lärmschutzbestimmungen zu ändern“, sagte gestern Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Der SPD-Politiker nannte explizit vier Begegnungen, die nach geltendem Recht um 22 Uhr hätten beendet werden müssen – auf den innerstädtischen Großbildleinwänden.

Der Bundesumweltminister zog gestern in Berlin die Bilanz seiner ersten 100 Arbeitstage – und zwar eine, „die sich aus unserer Sicht sehen lassen kann“, so Gabriel. Neben der gesicherten Fußball-WM zählt er die Verhandlungen zum Klimaschutz in Montreal und die auf den Weg gebrachte Pkw-Kennzeichnungspflicht für Dieselruß-Autos ebenso dazu wie die Meldung von deutschen Naturschutzgebieten zum Natura-2000-Projekt der EU. „Deutschland hat damit die FFH-Richtlinie der EU im letzten Moment umgesetzt; ein 12 Jahre lang dauernder Konflikt ist befriedet.“

Punkten konnte Gabriel bei den Haushaltsverhandlungen. „Es ist gelungen, den Forschungsetat für erneuerbare Energien auf knapp 90 Millionen Euro fast zu verdoppeln“, so Gabriel. Zugeständnisse konnte er Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auch beim Marktanreizprogramm für die Erneuerbaren abringen: Hier wurde um 20 Millionen auf 120 Millionen Euro aufgestockt. Und dann ist da noch das Gebäudesanierungsprogramm: „1,4 Milliarden Euro wollen wir dafür jährlich einsetzen“, sagte Gabriel. Zudem konnte er bei Steinbrück erreichen, dass der Verkauf von potenziellen Naturschutzflächen gestoppt wurde. Gabriel: „Es geht um 80.000 bis 125.000 Hektar, die wir in eine Bundesstiftung überführen wollen.“

„Eine gute Figur hat Sigmar Gabriel bislang gemacht“, lobte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND. Diese Anerkennung wurde jedoch nicht auf die große Koalition insgesamt ausgedehnt: „In der Bundesregierung scheint nur der Umweltminister die großen Chancen für Arbeit, Forschung und Innovation im Umwelt- und Naturschutz zu erkennen“, so Vorsitzende Angelika Zahrnt.

Ähnlich argumentiert die Opposition. „Rhetorisch ist das bis hierher sehr ordentlich“, urteilt der bündnisgrüne Fraktionsvize Reinhard Loske. Auch beim Klimaschutz habe der Minister ordentliche Arbeit abgeliefert. „Bei der EU-Chemikalienrichtlinie Reach hat sich Gabriel allerdings deutlich auf die Seite der Industrielobby geschlagen“, sagte Loske der taz. Die Richtlinie sieht jetzt nicht mehr vor, dass gefährliche Chemikalien nur auf fünf Jahre begrenzt zugelassen werden.

„Wirkliche Nagelproben für Gabriel kommen schon bald, zum Beispiel in der Frage der atomaren Laufzeitverlängerung“, prognostiziert Loske. „Die Post hat uns noch keinen Antrag zugestellt“, antwortete hingegen Gabriel gestern auf die Frage, wie es denn um den RWE-Antrag zur Laufzeitverlängerung für Biblis A steht. Zum Energiegipfel Anfang April bei Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte Gabriel: „Es bleibt beim Atomausstieg.“ Die Koalitionsvereinbarung sei eindeutig. Die große Koalition setze auf Kohle, Gas und erneuerbare Energien. „In diesem Mix kommt Kernkraft nicht vor.“

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