AUS TRADITION UNTERSAGT: IN BAYERN SIND VERBOTE SO WICHTIG, DASS SIE GAR IN BLECH GESTANZT WERDEN
: Gewohnt kritische Tritte

AMBROS WAIBEL

Man muss die Menschen lieben“, sagte der auf seemännische Art gut aussehende Schaffner mit Hamburger Bass im ICE nach München. Deutschland ist schön, seine Landschaften sind typisch und es ist das einzige Land auf Erden, in dem Freundlichkeit Rechtfertigungsdruck nach sich zieht.

Der Schaffner zitierte dann gleich den Fußballer van der Vaart, der in einem Interview gesagt haben soll – ich bin im Urlaub und werde den Teufel tun, irgendwas nachzuprüfen –, der im Interview, möglicherweise mit der Mopo, gesagt haben soll, die Deutschen würden nicht mal ihre Kinder zum Grüßen anleiten. „Na meine bekämen do ’n Tritt“, sagte der gutaussehende Schaffner, was unweigerlich den Widerspruch einiger Outdoorjackenträger nach sich zog.

Besser mal ein kleiner Tritt für Anstand als ein Ruck, der durch ganz Deutschland geht, dachte ich da gewohnt kritisch, oder besser, setzte ich an zu denken, denn nun erreichten wir schon München, sozusagen die Hauptstadt der Ruck-Bewegung.

Aus dem wie stets pünktlich und freundlich erschienenen Großelternauto heraus bot sich auf der Fahrt in den städtischen Norden das gewohnte Panorama aus feschen Burschen (oder waren es ukrainische Mafiaschläger?), weißrussischen Prostituierten (oder waren es einfach fesche Madln?) und Verbotsschildern. Eines, neben einer nett aussehenden Fußballkneipe angebracht, verlautete: „Es ist den Gästen strengstens verboten, den rückwärtig gelegenen Hofteil von Dr. Brezenmaier zu betreten.“ Das hatten sie in Blech gestanzt! Welche Schlachten musste sich Dr. Brenzenmaier mit der Beiz geliefert haben?

Die ganze Stadt ist voller solcher sadomasochistischer Verbotsbildchen – und das hat Tradition. Im Büchlein „Bayern anekdotisch“ fand ich, daheim angekommen, die sehr hübsche Sonntagsschutz-Verordnung aus dem Jahr 1788, in der jeden „Wein- und Bierwirten unter einer Geldstrafe von drey Reichsthalern, ja gar nach Umständen angemessenen Leibesstrafen anbefohlen wird, alles Tanzen an Fest, Buß- und Bettagen gar nicht, an Sonntagen nur nach dem Nachmittags-Gottesdienst weder Einheimischen noch Fremden zu gestatten.“

Freitag Michael Brake Nullen und Einsen Montag Maik Söhler Darum Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin Mittwoch Matthias Lohre Konservativ Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Als ich am nächsten Tag den Raucherquäler und sagenhafterweise tatsächlich ÖDP-Vorsitzenden Sebastian Frankenberger von allen Plakaten so debil grinsen sah, als hätte ihm ein Muli gerade zwischen die Beine geschlagen, musste ich schon sehr stark an meinen Hamburger Schaffner denken. „Man muss die Menschen lieben“ – sonst landet man irgendwann bei der FDP bzw. mit einem ungeöffneten Fallschirm im Rücken auf dem Boden der Tatsachen. Aber war nicht die andere – wie gesagt unverbürgte! – Aussage von van der Vaart nicht eigentlich grundliberal, wenn er Pep Guardiola im „Land der Belehrer und Bewerter“ begrüßte? Aber was soll’s, die Politik geht gerade so was an mir vorbei, so schnell wie die gemeingefährlichen Münchner Radfahrer. Aber da hülfe nur ein Helmverbot – und wer soll das durchsetzen? Ich nicht! Aber wie geht der Urmünchener Spruch: Freiheit ist immer die Freiheit, ins Tessin zu fahren. Und das mache ich jetzt.