Mit dem Radio gegen PISA

Aus Klassenräumen werden Studios, aus Kindern Journalisten. Der WDR 5 auf Hörerfang bei den Grundschülern. Die selbst gemachten Nachrichtensendungen sollen auch die Konzentration fördern

AUS LEVERKUSENLUTZ DEBUS

„Wärme aus Hunde-AA“, steht in krakeliger Schrift auf der Schultafel. Sehr viel mehr ist nicht geblieben von der turbulenten Redaktionssitzung in der Klasse 4b der Gemeinschaftsgrundschule Im Steinfeld in Leverkusen. Den ganzen Vormittag über lasen die 10-jährigen aktuelle Meldungen von Agenturen, wählten für sie wichtige Themen aus und schrieben die Nachrichtentexte dazu. Begleitet wurden sie von erfahrenen Profis, von den Mitarbeitern der Kinderradiosendung Lilipuz. Die Vogelgrippe war Top- Thema. Es folgten Beiträge über den Karneval in New Orleans, Lachen als Medizin und der Bericht über das Projekt in San Francisco, in Zukunft mit Tierkot zu heizen.

Einmal die Woche wird die Kindersendung von WDR 5 von Schülern produziert und aus einer NRW-Grundschule live ausgestrahlt. Dafür reist der Sender mit einem Ü-Wagen, je vier Redakteuren und Technikern frühmorgens an. „Kilometer von Kabel werden dann verlegt“, sagt Lilipuz-Redakteur Tobias Gehle. Aus Klassenräumen würden Studios, aus Kindern Journalisten. Zur Premiere in Leverkusen lud der WDR zu einer kleinen Podiumsdiskussion, um über das neue Sendeformat zu reden. NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) erzählt vor Ort erst einmal vom Medienalltag ihrer eigenen fünf Kinder: Bei all der schönen Natur um ihren Wohnsitz herum und den vielen Freunden ihrer Sprösslinge sei es nie langweilig und darum übermäßiger Fernsehkonsum im Hause Sommer kein Thema. Am Abend gäbe es schonmal eine Hörspielkassette. Da war die Ministerin endlich beim Thema: Dem Hören in einer visuell geprägten Welt. WDR 5-Wellenleiter Wolfgang Schmitz griff das Stichwort natürlich gern auf. „Zuhören ist nötig, um sich die Welt rational und emotional anzueignen,“ sagt er und die Ministerin nickt andächtig.

Doch die Hörerzahlen unter Kindern und Jugendlichen sind rückläufig. „Kids mit Stöpsel im Ohr hören lieber kommerzielle Regionalradios oder gleich den selbst zusammengestellten MP3-Musikmix aus dem Internet“, sagt Schmitz und Schulleiter Peter Bunse bestätigt das. Noch vor kurzem sei auch Lilipuz noch unbekannt gewesen. Der Wellenleiter versucht, sein fünftes Programm zu rechtfertigen: „Das ist kein Begleitprogramm, unsere Hörer lassen sich nicht berieseln.“ So ist der Weg in die Schule sicher auch eine Möglichkeit, neue Hörer zu gewinnen. Doch zuerst wolle man mit dem Projekt den kleinen Hörern im Land Medienkompetenz vermitteln, so Schmitz. Sogar Erwachsene hätten beim Sender angerufen und sich immer so aufbereitete Nachrichten gewünscht.

Auch der bekannte Populärwissenschaftler Ranga Yogeshwar ist mit seinem Sender sehr zufrieden. Kommerzielle Medienangebote könnten Kinder nur verführen. „Es gibt doch noch etwas anderes als Klingeltonwerbung“, sagt er. Kinder seien nicht nur von Natur aus neugierig und wollten etwas lernen, sie seien auch kritisch. Und so könne er in Sendungen nur das erklären, was er auch tatsächlich verstanden habe. Die Fragen der Kinder seien oft erstaunlich und anspruchsvoll: „Erklären Sie mal, warum es im Winter kälter ist als im Sommer?“

Dann eilten alle ins Studio. Ab 14:05 war man „On Air“. Die Profis hinter den Mischpulten und Mikrofonen nahmen es gelassen. Die 10-jährigen Amateure weniger. Stotternd aber stolz verlasen die Viertklässler ihre Nachrichten: „Wenn man einen toten Vogel sieht, sollte man nicht allzu nah an ihn ran gehen und nicht mit ihm spielen.“