Hoffen auf die Niederlage

Der Bremer, der ein Sachse ist: Axel Troost, WASG-Bundesvorstand, feiert seine ersten hundert Tage als Bundestagsabgeordneter. Und überlegt schon mal, in die frühere PDS einzutreten

von Jan Zier

Zuerst ist es nur ein leises Pfeifen, kaum wahrnehmbar. Dann ein Stimmengewirr, und ein paar Transparente tauchen aus der Dunkelheit auf. Das Schauspiel entpuppt sich als Montagsdemo – heute besucht sie mal Axel Troost und die seinen. Die sitzen drinnen, im Bürgerbüro des Bundestagsabgeordneten, befeiern die ersten hundert Tage im Reichstag.

Axel Troost weiß, was jetzt von ihm erwartet wird. Ein kurzes Zögern, dann tritt das politische Schwergewicht der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) in Aktion. Er baut sich vor seiner Türe auf, besänftigt stimmgewaltig die Unentwegten. „Wir hatten uns vieles einfacher vorgestellt“, wird er hinterher sagen. Nein, eine Klage gegen die Hartz-Gesetze, das sei nicht drin. Nicht mit Fraktionsgeldern, nicht solange man selbst kein Betroffener ist. Aber eine Anhörung im Reichstag, die gab es schon. Und zwar die größte in der Geschichte des Bundestages, wie Troost stolz verkündet. 450 BesucherInnen drinnen, im Fraktionssal der CDU/CSU, und 30 laufende Meter Warteschlange draußen. „Gute Symbolik.“

Das gilt auch für sein Büro in Bremen. Zwar residiert der 51-Jährige hier seit langen Jahren als Geschäftsführer der Memorandum-Gruppe für alternative Wirtschaftspolitik. Zwar hat er, der WASG-Bundesvorstand, den hiesigen Landesverband mitbegründet. Doch in den Bundestag gewählt haben ihn die Sachsen. In Leipzig sucht man dennoch vergebens nach einem Büro des Axel Troost. „Ich bin ein Bremer“, wird er nicht müde zu betonen. Chancen, von hier aus in den Bundestag einzuziehen, hatte Troost keine.

Mittlerweile würden sie ihn wohl auch nicht mehr aufstellen, die Bremer. Troost, Wortführer der eher pragmatisch gestimmten „Realos“ im Landesverband, bröckelt die Basis weg, seit im Dezember die von ihm geforderte „Richtungsentscheidung“ fiel. Gegen ihn. Gegen den Bundesvorstand. Für die „Linkstendenz“, die „Fundis“ in der WASG. „Ein kleiner Haufen von Sektierern“, wie Troost sie schmähte, zu rationaler Politik „völlig unfähig“. Seither schmollt er. Und nimmt weiter für sich in Anspruch, die „gesamte Breite“ der Partei zu repräsentieren. Einer Partei, die in Bremen keine 200 Mitglieder hat.

Auch drüben in Sachsen brennt es, Beschwerden über schlechte Kommunikation mit der Parteispitze werden laut. Nicht jedes beliebige Basismitglied könne mit einer Antwort des Bundesvorstandes rechnen, antwortet er dann, spricht von Überlastung. Überhaupt – er gebe ja nur nebenberuflich den Bundesvorstand.

Und dann ist da noch die Sache mit Berlin, wo die eigenen Genossen gerade entschieden haben, bei der nächsten Landtagswahl doch lieber gegen die Genossen von der PDS-Nachfolgeorganisation Linkspartei zu kandidieren. Schon war über das Ende der gemeinsamen Bundestagsfraktion spekuliert worden, schließlich darf eine gemeinsame Fraktion nicht aus konkurrierenden Parteien bestehen. Doch Troost gibt wieder einmal den Pragmatiker: Im Zweifelsfall würde er den Berliner Landesverband ausschließen. Oder einfach der Linkspartei beitreten. Wie Oskar Lafontaine. Der Linkspartei bereitet derlei Opportunismus schließlich keine Probleme. Der WASG schon.

Aber eigentlich ist Axel Troost gar nicht so undankbar über den Parteienstreit. „Die WASG hat in Berlin alleine keine Chance.“ Nicht ein einziges Prozent sei im Osten der Hauptstadt zu gewinnen. Klammheimliche Freude kommt auf. Stratege Troost hofft auf die eigene Niederlage. Denn es wäre die Niederlage der Linkstendenz. All jener, die gegen seinen Fusionskurs kämpfen.

Finanzpolitiker Troost redet derweil lieber über Mindestlöhne und Hedge Fonds, die Vermögenssteuer und das Girokonto für jedermann. Und die Arbeit im Bundestag? Reduziert sich am Ende auf eine einzige Zahl: Zweihundertdreiundsechzig. So viele Initiativen hat die Fraktion „Die Linke“ in 100 Tagen auf den Weg gebracht. „Das sind 2,6 pro Tag“, rechnet einer aus dem Publikum vor. „Und dann muss man noch die Wochenenden abziehen.“ Anfragen, Entschließungsanträge, ja, auch ein paar Gesetzesentwürfe. Das meiste davon hat Axel Troost selbst nicht gelesen.

Doch seine Leute an der Basis wollen ohnehin viel lieber Zahlen hören. Zahlen, die belegen, dass die Einkommen der Arbeitgeber im vergangenen Jahr um 32 Milliarden Euro gestiegen, die der Arbeitnehmer aber um fünf Milliarden gesunken sind. Trotz Wirtschaftswachstum. Das kann man auch den Montagsdemonstranten erzählen. Draußen, auf der Straße.