Die einsamste Jukebox

PUNK-POET Einsamkeit und beißender Spott: 1977 wurde Patrik Fitzgerald von der Punkwelle erfasst – nach oben gespült hat sie den Londoner Musiker aber nie

„Subliminal Alienation“ ist eine Reise zu Wurzeln – aus denen lange schon nichts mehr wächst

VON NILS SCHUHMACHER

Poeten hat der englische Punk nun schon einige gesehen. So unterschiedliche – und unterschiedlich bekannte – Gestalten wie Billy Childish, Nick Blinko, Nikki Sudden, Attila the Stockbroker fallen einem da ein, vielleicht noch TV Smith. Wer sich gut auskennt, kann die Liste leicht um einige viel wichtigere Namen ergänzen.

Der Eindruck, dass es zu Hochzeiten der Rebellion nur ganz wenige von ihnen gab, täuscht also womöglich. Und auch die Frage, ob sie tatsächlich Randgestalten in diesem ja eher lauten und plakativen Betrieb waren, lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. Vielleicht waren sie auch einfach nur die Loneliest Jukeboxes in dem aus vielen Splittern bestehenden Mosaik der Transgression. Und das meist wortwörtlich, weil sie sich häufig als Singer/Songwriter, Folkbarden und Ähnliches – also ganz allein – vor einen stets spuckenden und mit harten Worten nach Pogo verlangenden Mob stellen mussten.

Unbedingt in diese Reihe einer speziellen, von Einsamkeit und beißendem Spott umwehten Poesie gehört Patrik Fitzgerald. Als Sohn irischer Immigranten im London der 1950er-Jahre geboren, war er zunächst mit der Schauspielerei beschäftigt, schrieb Gedichte und wurde wie viele andere 1977 von der Punkwelle erfasst, die ihn zwar mitnahm, aber – wie man heute sagen kann – niemals nach oben spülte.

Wenn ein 2009 erschienener Film über den Mann mit dem wunderbaren Cockney-Dialekt „All the years of trying“ heißt, dann ist das nicht nur der Titel einer seiner frühen Songs, sondern auch als eine Art programmatisches Extrakt von über 30 Jahren als nicht eben mit Aufmerksamkeit verwöhnter Musiker zu verstehen.

Dabei war der Beginn – der heute meist in den Blick genommen wird – durchaus verheißungsvoll. Auf Fitzgeralds Debüt, verteilt auf drei EPs, versammeln sich kurze, bissige, von Akustikgitarre getragene und irgendwie mit Leichtigkeit hingeworfene Songs, die Fitzgerald zwischenzeitlich das nicht ganz unpassende Etikett „Bob Dylan des Punk“ einbrachten.

Für Hintergründiges und Ironisches – man denke an die schöne Anti-Hymne „Safety Pin stuck in my heart“ – war dann aber letztendlich doch nur wenig Platz. Der Ausflug zu Polydor, wo im Zuge des Booms 1979 seine erste LP erschien, endete für Fitzgerald jedenfalls in einem Misserfolg – und blieb dann auch die einzige Berührung mit einem Major-Label.

Die folgenden Alben stehen aber nicht nur für eine Rückkehr in den längst erkalteten Schoß der kleinen Punkwelt, sondern auch für eine musikalische Abkehr von deren Prämissen. Auf „Gifts and Telegrams“ experimentierte Fitzgerald in den 1980ern mit elektronischer Musik. Es folgte mit „Tunisia Twist“ ein mit Schlagzeug, Bass, Klavier und Trompete üppig instrumentiertes Album, das irgendwie nach Mainstream klingen sollte – dann aber doch meilenweit an ihm vorbeiging.

Erst im weiteren Verlauf – verteilt auf diverse Alben – knüpfte Fitzgerald doch wieder an die Tradition seiner Solostücke an. Nun deutlich facettenreicher, vielleicht auch verhangener: in jedem Fall weniger punklastig.

In diesem Sinne ist „Subliminal Alienation“, sein 2012 erschienenes Album, eine Reise zu Wurzeln – aus denen lange schon nichts mehr wächst. Fitzgeralds Referenz ist – anders als im Fall all der wieder ausgegrabenen Zombiebands ähnlicher Provenienz – die allgemeine Entfremdung als Markenzeichen heutiger Gesellschaftsteilnehmer. Und so steht er da auch auf der Bühne – irgendwie verloren. Und genau darin irgendwie auch wieder Trost spendend.

■ Do, 25. 7., 21 Uhr, Hasenschaukel, Silbersackstraße 17