So klappt’s auch mit …

… dem Festival-Matsch

Das Versinken ist eines der Hauptprobleme. Über tausend Moorleichen soll es in Europa geben

VON SÖREN MUSYAL
(TEXT) & ELÉONORE ROEDEL (ILLU)

Ein Festival ohne Regen ist kein Festival, sagen sie. Mit Regen macht es doch erst richtig Spaß, sagen sie. Humbug, sage ich. Sonne ist der bessere Regen. Warm, trocken und vor allem: sauber, allerhöchstens staubig. Schließlich ist es meistens so, dass Regen nur der Anfang ist. Auf Regen folgen nasse Klamotten, folgen klamme Zelte, Pfützen und Matsch. Und die Fernsehsender, die sich alle Jahre wieder auf durchnässte FestivalbesucherInnen stürzen und fragen: „Na, wie isses?“ Ach, ich stehe gern im Regen. Was glaubt ihr denn?!

Mit Regen und Matsch beim Festival muss man umgehen können. Die Anreise war lang und hart, die Tickets sind bezahlt und ein Zurück gibt es nicht. Was also tun, wenn der Himmel sechs Tage am Stück grau bleibt, wenn es wie aus Eimern gießt?

Ich spreche mit einem angehenden Offizier der Bundeswehr: „Sie kriechen doch immer durch Matsch?“ „Ja“, entgegnet er, „aber genau da liegt das Problem: Wir kriechen eben.“ Und das sei dann doch keine geeignete Art, sich auf Festivals fortzubewegen. Sauber und trocken möchte man ja schon irgendwie bleiben. „Aber eine möglichst große Auflagefläche ist wichtig“, rät er. Beim Robben durch Matsch heißt das im Klartext, nicht nur die Ellenbogen zu verwenden, sondern den ganzen Unterarm. Aha. Die entmilitarisierte Variante wären dann wohl Gummistiefel: ein bis zwei Nummern größer als eigentlich nötig. Oder Schneeschuhe, das sind die mit den Tennisschlägern als Sohlen. Schön ist anders.

Auf funktionales Schuhwerk legen auch Crossläufer Wert, die bei Extremläufen über Stock und Schlamm mitmachen. Laufschuhe sind dort empfohlen. Immerhin rennt man Dutzende Kilometer weit durch und über Matsch. Da Laufschuhe nicht gerade wasserdicht sind und bare Füße sehr empfindlich auf Kälte, Scherben oder anderer Leute Schuhsohlen reagieren, ist auf Festivals von beidem abzuraten.

„Schuhe sollten Pflicht sein, denn Schlamm ist nicht nur nass und kalt“, erklärt Constanze Dinse, „er kühlt den Körper auch sehr schnell aus.“ Dinse kennt sich aus mit Matsch, denn sie ist mitverantwortlich für die deutsche Version des Extremlaufs „Tough Mudder“. Eine Antwort auf die Frage aber, wie man möglichst gut und sauber durch den Matsch kommt, kennt sie jedoch auch nicht. Schließlich will man bei Wettrennen meist schnell sein, nicht sauber. Ob robbend oder laufend, gilt jedoch: „Keine hektischen Bewegungen“, so Dinse. Ein lustiger Tipp für Wettkämpfe, für Festivals aber ganz brauchbar. Denn durch zu heftige Bewegungen würde zu viel Schlamm verdrängt, tiefes Einsinken sei die Folge.

Ohnehin ist das Versinken im Schlamm eines der Hauptprobleme. Über tausend wissenschaftlich bestätigte Moorleichen soll es in Europa geben. Nun ist Festivalmatsch kein Moor, das Problem aber ist das Gleiche: Man versinkt. Deshalb versuchen Crossläufer, immer in Bewegung zu bleiben. Nur eben nicht zu hektisch – denn wenn erst mal das halbe Schienbein im Schlamm steckt, ist der Schuh schnell futsch. Gerade auf Festivals sollte das mit der Bewegung jedoch kein Problem sein.

Der beliebte Tanzschritt Seit-ran-Seit-ran ist sicher eine der simpleren Formen körperlicher Aktivität, doch er wirkt. Alternativ hat es sich bewährt, Bier- oder Matekästen mit sich herumzuschleppen. Das mag anstrengend klingen, funktioniert aber wunderbar, denn gut in den Matsch gepresst, stellt die Getränkekiste einen Fels in der Brandung dar, auf dem hemmungslos getanzt werden kann. So hemmungslos wie auf dreißig mal vierzig Zentimetern eben getanzt werden kann. Expertinnen und Experten wissen, dass man auf den quadratischen Bierkästen von Astra 400 Quadratzentimeter mehr hat.

Wer im wahrsten Sinne des Wortes einen Schritt weiter gehen will, nimmt zwei Kisten mit: Auf eine draufstellen, die zweite vor die erste stellen und daraufsteigen. Dann die erste vor die zweite stellen und drauf steigen, dann die zweite vor die erste stellen …

Am Ende zeigt sich doch, was jeder weiß: Gummistiefel mitnehmen und dem Matsch ausweichen. Ausweichen, solange es nur geht, und wenn das nicht mehr klappt, stetig in Bewegung bleiben. Ruhig. Ruhig in Bewegung bleiben!

Der Königsweg scheint tatsächlich eine Anglerhose zu sein. Das ist eine Art Strumpfhose aus Gummi, nur nicht so eng, und die Füße steckt man nicht in Socken, sondern in Gummistiefel. Das sieht nicht nur fesch aus, man kann sich auch mit jenen rosa Hasenkostümen messen, die man stets auf Festivals antrifft.