Der Hofreporter

Was hätte die ARD eigentlich gemacht, wäre Nicolas Sarkozy im letzten Jahr nicht friedlich abgetreten, sondern hätte sich wie einst Napoleon in Notre-Dame zum Kaiser krönen lassen – mit Gattin Carla im Schlepptau? Hätte sich „Das Erste“ in „Brennpunkten“ empört? Oder hätte es stundenlang devote Liveübertragungen gesendet, das attraktive Paar im Glück, jubelnde Massen auf dem Champs-Élysées, die Bruni von allen Seiten, huldvoll lächelnd? Moderation: Rolf Seelmann-Eggebert, der Mann, der Hofberichterstattung im Öffentlich-Rechtlichen salonfähig gemacht hat.

In der ARD halten sie das, was der 76-Jährige abliefert, nicht für Lobby- und PR-Arbeit zugunsten des europäischen Hochadels, sondern für „seriösen Journalismus“, für „ausgewogene Berichterstattung über die Ereignisse bei Hofe“. So steht es jedenfalls auf der NDR-Webseite royalty.de, auf der eine Redaktion mit Unterstützung Seelmann-Eggeberts dem öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag nachkommt: „Welchen Hut trägt die Queen zur Geburtstagsparade? Welches Königshaus erwartet Nachwuchs? Antworten rund um Ihre Lieblings-Royals liefert royalty.de. Klatsch- und Skandalgeschichten – oder gar die neuesten Spekulationen über amouröse Abenteuer – sucht der Leser vergeblich.“ Schließlich ist die ARD ja was Besseres als die Gala. Topmeldung vom Donnerstag: „Royaler Hundenachwuchs entzückt Norwegen“.

Am Sonntag (16.20 Uhr) geht Seelmann-Eggebert wieder auf Sendung, live von der Krönung König Philippes in Brüssel. Nur eine Stunde, schließlich ist es nur das popelige belgische Königshaus. Was hätte da eine Krönung in Paris hergegeben! In der quotenfixierten ARD dürften sie noch immer mit der Französischen Revolution hadern. MARTIN REEH