Sauberer Kompromiss

Die Stadt wird wieder gereinigt: Streik im öffentlichen Dienst Hamburgs nach 16 Tagen mit Einigung auf ein neues Arbeitszeitmodell beendet

Von SVEN-MICHAEL VEIT

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Ab heute wird in Hamburg wieder Müll entsorgt (siehe Kasten) und eventueller Schnee geräumt. Der Streik im öffentlichen Dienst ist gestern Nachmittag für beendet erklärt worden. In einer Urabstimmung sprachen sich 42 Prozent der in der Gewerkschaft ver.di organisierten Beschäftigten für den mit der Arbeitsrechtlichen Vereinigung (AVH) der öffentlichen Arbeitgeber ausgehandelten Kompromiss über längere Arbeitszeiten aus, eine Zustimmung von 25 Prozent hätte ausgereicht

„Das Ergebnis bedeutet, dass der Streik beendet wird, aber gleichzeitig wird eine erhebliche Unzufriedenheit mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten erkennbar“, sagte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Die 20.000 Arbeiter und Angestellten der städtischen Betriebe hatten 16 Tage lang gegen die geplante Heraufsetzung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden pro Woche protestiert.

Das gestern ausgehandelte neue Modell sieht eine Staffelung der Arbeitszeit nach Lebensalter, familiären Bedingungen und Schwere der Arbeit vor. Beschäftigte der untersten Entgeltgruppen eins bis neun (92 Prozent der Mitarbeiter, die zumeist einen körperlich harten Job haben) müssen künftig 39 Stunden pro Woche arbeiten, wenn sie jünger als 50 Jahre sind und keine Kinder haben. Mit Kindern bis zu zwölf Jahren bleibt es bei 38,5 Wochenstunden.

Wer mindestens 50 Jahre alt ist, arbeitet hingegen nur noch 38 Stunden pro Woche. Für Leitungskräfte und hoch qualifizierte Techniker gelten je nach persönlicher Situation wöchentliche Arbeitszeiten von 39 oder 39,5 Stunden. Akademiker und andere leitende Mitarbeiter müssen künftig 39,5 beziehungsweise 40 Stunden arbeiten.

„Das ist ein tragfähiger Kompromiss“, sagte Volker Bonorden von der AVH. Der Leiter des Personalamtes in der Senatskanzlei war zusammen mit Staatsrat Volkmar Schön (CDU) Verhandlungsführer der öffentlichen Arbeitgeber. Der Vorgesetzte der beiden, Bürgermeister Ole von Beust (CDU), „freute“ sich über die Einigung: „Der Kompromiss ist für beide Seiten annehmbar.“

Gewerkschaftschef Rose zog eine positive Erkenntnis aus dem ersten großen Arbeitskampf in Hamburg seit 1992: „Dieser Abschluss hat gezeigt, dass ein Streik kein unmodernes Konfliktinstrument aus der Mottenkiste ist.“ Zugleich betonte er, dass dieser Tarifabschluss „kein Pilotabschluss für die Länder“ sei. Bei der Polizei und dem Landesbetrieb Verkehr wird der Streik daher vorerst fortgesetzt. Sie fallen in den Zuständigkeitsbereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TDL), die am 9. März mit ver.di verhandelt.

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund sprach hingegen von einem „faulen Kompromiss“. Hamburgs Landeschef Frank Ulrich Montgomery sagte, ver.di habe „die Arbeitnehmer für ein billiges Linsengericht verkauft“. Es sei „unakzeptabel, dass gerade die Leistungsträger mit längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich hart bestraft werden“.

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